Ich befinde mich in Darjeeling, in Indien, unweit der Grenzen zu China, Tibet, Bangladesh und Bhutan. Genau genommen bin ich in einem kleinen Dorf mit dem Namen Lava, der aus dem Tibetischen stammt. Auch die meisten Einwohner der Region Darjeeling haben tibetische Wurzeln und deren Familien sind vor über 100 Jahren nach Darjeeling gekommen, als die Briten hier den Teeanbau mit Pflanzen aus China begonnen haben und viele Arbeitskräfte brauten.

Hier bin ich mit einer Studienreise des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), einer Mitgliedsorganisation von TransFair. In einer Gruppe von zehn Personen wollen wir mehr über den Fairen Handel von Tee erfahren, mitten in einer der berühmtesten Anbaugebiete für Tee. Nach allem was ich bisher gelesen habe und von einen Teegroßhändler in Kalkutta erfahren habe, ist Fairer Handel hier alles andere als einfach: Der Tee hat eine so hohe Qualität, dass Mindestpreise keinen Sinn ergeben, das Land gehört dem Staat und wird von meist großen Firmen gemietet, die tausende von Arbeitern anstellen, dessen Lebensbedingungen in allen Teegärten sehr ähnlich sind. Profitieren werden hier also im Zweifelsfall die Firmen. Doch welchen Unterschied bietet hier fair gehandelter Tee? Es bleibt die Fairtrade-Prämie, die in Selbstverwaltung der Arbeiter für Gemeinschaftsprojekte investiert wird. In Kalkutta habe ich aber bereits gehört, dass manche Teegärten nur zwei bis fünf Prozent ihres Umsatzes über Fairtrade verkaufen – entsprechend niedrig sind in diesen Fällen die Prämien und können nicht so viel bewirken.

Teepflückerin in SamabeongGestern jedoch haben wir bereits sehr interessante Begegnungen gehabt und viel positives zu hören bekommen. Wir haben uns mit dem Joint Body des Teegartens Samabeong unweit von Lava getroffen, der zu der Firma Tee Promoters India (TPI) gehört, die große Teile ihrer Ernte über den Fairen Handel verkauft. Der Joint Body ist das Gremium, welches aus Vertretern der Arbeitnehmer und des Managements der Firma besteht, welches über die Verwendung der Prämien entscheidet. Voller Stolz wurde uns berichtet, welche Projekte sie bereits umsetzen konnten und dass auch das Management von TPI auf die Bedürfnisse der Arbeiter eingeht. Unter anderem konnten mit der Fairtrade-Prämie in Samabeong Solarzellen mit Batterien für die Häuser aller Arbeiter gekauft werden, so dass sie nach dem frühen Sonnenuntergang um kurz nach fünf Uhr noch Licht haben. Auch konnten Mikrokredite an Arbeitnehmer vergeben werden und Stipendien für weiterführende Schulen für die Kinder der Arbeiter. Auch konnte eine Schule direkt in den Teegärten gebaut werden. Hier können nicht nur die Kinder der Teearbeiter eine Schulbildung bekommen und die Schulwege zur nächsten regulären Schule sind nicht mehr so lang wie sonst.

Unweit von Lava gibt es aber auch noch ein sehr interessantes „Experiment“, wie es ein Manager von TPI nannte. Es hat sich im Jahr 1997 eine Kooperative von Kleinbauern gegründet, die Tee anbaut und mit Hilfe von TPI vermarktet, die Subarna Small Farmers Welfare Society. Heute Vormittag wurden wir hier sehr herzlich begrüßt und konnten mit dem Präsidenten der Kooperative sowie einigen der 97 Kleinbauern sprechen, die zur Kooperative gehören. Zwar ist die Kooperative noch nicht Fairtrade-zertifiziert, dies ist aber eins der Ziele der Kooperative in der nächsten Zeit, erklärt uns deren Präsident. Aber auch ohne ganz offiziell dazu zu gehören, profitiert die Kooperative bereits vom Fairen Handel: Ein paar Projekte konnten mit Unterstützung des Joint Bodys des benachbarten Samabeong realisiert werden, ansonsten verkauft die Kooperative aber einen großen Teil ihrer Teeproduktion an die Firma GEPA, einem Pionier des Fairen Handels in Deutschland.

Das Modell des kleinbäuerlichen Teeanbaus bei der Subarna Small Farmers Welfare Society hat zwei große Vorteile: Zum einen wird der Tee nicht in großen Monokulturen angebaut, welche sehr anfällig für Schädlinge sind. Die Bauern pflanzen zwischen dem Tee viele Pflanzen für den täglichen Bedarf an wie z.B. Reis, Kürbisse und Rettich, sie züchten aber auch viel Kardamom für den Export. Zum anderen gehört das Land, was die Bauern bestellen, den Bauern selbst und nicht dem Staat oder einer Firma für die sie arbeiten und nur einen bescheidenen Lohn bekommen. Hier konnten wir uns überzeugen, wie stolz die Produzenten auf ihren Tee sind und und auf den bescheidenen Wohlstand den sie sich inzwischen erarbeiten konnten. Die herzliche Begrüßung mit Blumenketten und ein feierliches Essen inmitten der Teegärten war ein Zeichen davon, wie sehr sich die Menschen freuten, mit den Konsumenten ihres Produkts zusammenzutreffen und uns auch ihre Sorgen mitzuteilen. Ein großes Thema waren hier vor allem noch unklare Landtitel bei einigen Kleinbauern.

Nach dieser Begegnung ging es noch zusammen mit ein paar Kooperativenmitgliedern und Mitgliedern des Samabeong-Teegartens zwei Stunden durch die Teegärten und Äcker der Subarna Kleinbauern, durch malerische Landschaften und vorbei an lächelnden bunt gekleideten Menschen. Auch wenn die Menschen hier sehr glücklich wirken, so liegen doch Welten zwischen ihnen und uns und sie sind weit weg von umfassender medizinischer Versorgung, von einem hohen Bildungsstand und all den Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben.

Nach diesen positiven Beispielen vom Fairem Handel geht es in den nächsten Tagen noch zu anderen Teegärten, die bisher nur kleine Teile ihrer Ernte über Fairtrade verkaufen, auch wenn ein großer Teil in Deutschland landet. Wir sind gespannt auf diese Erlebnisse und hoffen, dass noch mehr Menschen in der Region Darjeeling vom Fairen Handel profitieren werden.

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