Ich befinde mich im Norden Panamás, eigentlich gar nicht weit von den Touristenmassen an der malerischen Karibikküste und den großen Bananenplantagen von Chiquita entfernt, aber doch mitten in der Wildnis. Mein Weg führt über einen schmalen Pfad, vorbei an Bananenbäumen, über einen kleinen Fluss, bei dessen Überquerung ich nasse Füße bekomme. Auf einer Wiese steht ein großes Holzhaus, mitten davor säugt eine Sau ihre Jungen. Es ist das Haus von Victoriano Palacio, einem Kakaobauern. In der unteren Etage spielt sich das Leben der Familie ab. Die Frau kocht, der Opa schaukelt mit dem Jüngsten der Familie auf der Hängematte. „Die Kakaobäume sind versorgt, wenn alles gut geht, werden wir dieses Jahr eine gute Ernte haben“, erklärt Victoriano Palacio. „Aber das hängt stark vom Wetter ab, was in den letzten Jahren sehr unregelmäßig war. Die Ernte hat gerade noch so gereicht, die Familie zu ernähren.“

Gemeinschaft macht stark

Victoriano Palacios Familie ist nicht allein. Sie sind Teil der 1.500 Familien umfassenden Kakao-Kooperative Cocabo, die schon seit 58 Jahren besteht. Seit sechs Jahren verkauft die Kooperative Kakao über den Fairen Handel. Hier wird sehr stark auf Kooperativen von kleinen Produzenten gesetzt, in denen diese sich zusammenschließen und gemeinsam zu einer starken Gemeinschaft werden. Die Landwirtschaft in solchen Kooperativen ist im Vergleich zu großen Plantagen deutlich umweltfreundlicher: Fruchtbarkeit und Struktur der Böden werden langfristig erhalten und es werden deutlich weniger Klimagase produziert.

Rat vom Ingenieur

Wir laufen gemeinsam zur Parzelle der Familie Palacios und schauen uns die Kakaobäume an. Wir werden begleitet von David Casasola. Er ist Agraringenieur, arbeitet für die Kooperative und unterstützt die Produzentenfamilien beim Kakaoanbau. Nebenbei erklärt er Victoriano Palacios, wie er die Kakaobäume besser schneiden kann. Das steigert den Ertrag und der Kakao bekommt eine höhere Qualität, was sich letztlich in einem höheren Verkaufspreis widerspiegelt.

Selbstbestimmt

Doch Victoriano Palacio ist nicht nur ein „einfacher“ Kakaobauer. Genau genommen ist er sogar der Chef von David Casasola. Bei der letzten Generalversammlung der Kooperative wurde Victoriano Palacio in den Kooperativenvorstand gewählt und ist so für die Geschicke der Kooperative mit verantwortlich. Bei dieser Versammlung beschließen die Vertreter der Produzenten unter anderem, was sie mit der Fairtrade-Prämie machen. Eins der letzten Projekte diente der Qualitätsverbesserung. Jede Familie hat einen Zuschuss für eine einfache Kakaobohnen-Trockenstation bekommen, die bei immer unregelmäßiger werdenden Wetterbedingungen äußerst wichtig sind.

Vegetationszonen verändern sich

Nachdenklich macht es mich, dass auch die Kakaoproduzenten in Panamá von immer schwieriger werdenden Wetterbedingungen und dadurch bedingten Ernteausfällen berichten. Sind das Auswirkungen des weltweiten Klimawandels? Ich fühle mich an eine Reise im letzten Jahr nach Bolivien erinnert. Die Kaffeeproduzenten im bolivianischen Nebelwald berichteten mir von ganz ähnlichen Problemen. Sie wussten nicht genau, ob es der Klimawandel sei, fest stand aber für sie, dass sich das Wetter im Laufe der Zeit geändert hat. Die Kaffeeproduzenten haben in der Kooperativenversammlung gemeinsam überlegt, wie sie dem begegnen können. Sie gehen jetzt zusehends dazu über, Kaffeepflanzen zwischen anderen Bäumen zu pflanzen und natürliche Hecken anzulegen. Beides bekämpft die Erosion und hält mehr Wasser im Boden. Ansonsten hoffen sie, von Schlimmerem verschont zu bleiben. Ob das aber so bleiben wird: Sie wissen es nicht. Die wissenschaftlichen Prognosen sagen für die Region voraus, dass sich die Vegetationszonen verschieben werden. Vielleicht müssen sie in höher gelegene Gebiete ziehen, damit sie weiterhin erstklassigen Kaffee produzieren können.

Der Meeresspiegel steigt

Auch Panamá ist von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. In der Region Kuna Yala ist der Meeresspiegel in den letzten 100 Jahren um 15 cm gestiegen und erste Bewohner von kleinen Karibikinseln mussten auf das Festland umsiedeln. Eine solche Gefahr droht Victoriano Palacio und den anderen Kakaoproduzenten zwar nicht, aber sie werden sich sicher zusehends an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen müssen. Ein Hoffnungsschimmer ist es, dass verschiedene Studien gezeigt haben, dass kleine Produzenten, die in Kooperativen organisiert sind, wesentlich besser auf den Klimawandel reagieren können. Gemeinsam können sie sich besser austauschen, sich Rat holen, Entscheidungen treffen und sich gegenseitig aushelfen. Dazu kommt, dass der Faire Handel die Kooperativen bei Anpassungsmaßnahmen unterstützt. Das passiert einerseits durch fachlichen Rat, andererseits können beispielsweise Fairtrade-Prämien für entsprechende Maßnahmen eingesetzt werden.

Für mich wird es Zeit, mich von Victoriano Palacio zu verabschieden und ich hoffe für ihn und seine Familie, dass die kommende Ernte gut ausfallen wird.

 

Ursprünglich erschienen in der mittendrin, dem Mitgliedermagazin der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG).