Die wichtigste Voraussetzung für sozial nachhaltige Textilien sind höhere Löhne. Arbeiter*innen müssen mehr Geld verdienen, um gut davon leben zu können. Dies ist der Grundstein für alle weiteren Veränderungen, an dem kein Weg vorbeiführt. Nur wer sich nicht täglich um seine finanziellen Grundbedürfnisse sorgen muss und außerhalb der Arbeit Zeit findet, kann sich gesellschaftlich einbringen – sei es in der eigenen Familie in der Bildung und Erziehung von Kindern, in Form von Arbeiter*innenvertretungen oder im sozialen Umfeld. Der Fairtrade-Textilstandard sieht daher vor, dass in allen zertifizierten Produktionsstätten binnen sechs Jahren ein existenzsichernder Lohn bezahlt werden muss. Dieser gibt an, wie viel Arbeiter*innen verdienen müssen, um nicht nur die Kosten für Grundbedürfnisse wie Essen und Wohnen abzudecken, sondern auch in Gesundheit, Bildung und Rücklagen investieren zu können. Die Berechnungsgrundlage für einen solchen Lohn bilden die Daten der Global Living Wage Coalition.

Auch wenn das Ziel damit definiert ist, der Weg dorthin ist nicht klar vorgegeben und in keinem Fall ein leichter. Eine wichtige Rolle etwa für Lohnverhandlungen spielen Vertretungen von Arbeiter*innen in Produktionsbetrieben oder Gewerkschaften in und außerhalb der Textilbetriebe.

Kooperation mit größter indischer Gewerkschaft

Um die Bildung starker Gewerkschaften zu unterstützen, kooperiert Fairtrade seit mehreren Jahren mit dem Indian National Trade Union Congress (INTUC), eine der größten indischen Gewerkschaften. Gemeinsam mit der IG Metall, die in Deutschland für die Tarifabschlüsse in der Textil- und Bekleidungsindustrie zuständig ist, schult Fairtrade Funktionsträger*innen der Gewerkschaft im Textilbereich. Zuletzt im Dezember 2020 in Tirupur im indischen Bundesstaat Tamil Nadu. Ziel des Grundlagentrainings war unter anderem der Umgang mit Beschwerden in den Textilfabriken. Das indische Arbeitsgesetz sieht vor, dass Arbeiter*innen und Vertreter*innen des Managements gemeinsam ein Beschwerdekomitee bilden. Dort werden mögliche Streitfälle über Verträge, Löhne oder Überstunden besprochen und im besten Fall gelöst. Sollte dies nicht gelingen, gibt es weitere Wege der Streitbeilegung.

Augenmerk auf die Bedürfnisse von Arbeitsmigrant*innen

Zusätzlich wurde der Blick auf inner-Indische Arbeitsmigrant*innen gelegt. Also auf Menschen aus ländlichen Bundesstaaten, die in Indiens Industriezentren ziehen, um dort zu arbeiten.  Zum Teil machen sie einen Großteil der Belegschaft aus. Die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen führen häufig zu Verständigungsschwierigkeiten und Konflikten. Zudem fehlt den Arbeitsmigrant*innen die familiäre Unterstützung beispielsweise im Krankheitsfall. Das Training soll den Gewerkschaftsvertreter*innen helfen mit dieser spezifischen Situation umzugehen. Solche Gewerkschaftstrainings fördern insgesamt die Möglichkeit des Dialogs von Beschäftigten und Management enorm und können zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen. Zudem geben sie wichtige Rückmeldung, von Arbeiter*innen aus der Praxis, um die Arbeit von Fairtrade im Textilbereich weiterzuentwickeln.

Informationen zum Fairtrade-Textilstandard und -Programm