Kaum ist die Fashion Revolution Week vorbei geht es direkt weiter im Programm zum Thema nachhaltige Kleidung. Oxfam in Belgien hat zum Slow Fashion Day am 5. Mai in Brüssel eingeladen. Das Programm klingt abwechslungsreich, die Podiumsdiskussionen vielversprechend – also nichts wie hin. (Titelfoto: Tineke d’Haese/Oxfam Solidarity)

Slow Fashion Market und “Do it youself”-Workshops

Neben einer kreativen Fashion Show und diversen Diskussionsrunden zu mehr Gerechtigkeit entlang der textilen Lieferkette, standen auch ein Slow Fashion Market, „Do it yourself“-Workshops und ein Theaterstück auf dem Programm. In einem Secondhand Shop von Oxfam konnte man gebrauchte Kleider kaufen. Kleine belgische Boutiquen zeigten ihr Angebot an nachhaltiger Mode. Hier fanden wir alte Bekannte wie die Ansvar-Rucksäcke von Melawear oder die Babykleidung von Sense Organics – alles aus Indien mit öko-fairer Baumwolle.

An den Do-it-yourself Stationen konnte man das Spinnen von Garnen mit richtigen Spindeln oder das Weben von Stoffen sowie das Bedrucken von T-Shirts lernen. Einige Nähmaschinen ratterten im Takt.

Hochkarätig besetzte Diskussionsrunde

Das Highlight des Tages war für mich die Diskussionsrunde am Nachmittag moderiert von Sergi Corbalàn vom Fairtrade Advocacy Office in Brüssel. Zum Thema Regulierungen in der Textilproduktion und welche Rolle dabei private Initiativen sowie staatliche Einrichtungen spielen, war ein sehr gut besetztes Podium eingeladen.

Für Fairtrade International war Shivaprasad Shetty aus Indien angereist. Er ist Experte was das Thema Arbeiterrechte angeht und blickt auf jahrzehntelange Erfahrungen als Auditor für verschiedene Zertifizierungen zurück. In Brüssel stellte er dem Publikum den Fairtrade-Textilstandard und das begleitende Textilprogramm vor. Neben besseren Lohn- und Arbeitsbedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter entlang der gesamten textilen Lieferkette ist das „Bottom-Up“-Prinzip das Besondere an dem neuen Textilstandard. Nicht nur jährliche Audits von Externen überprüfen die Einhaltung der Standards. Vielmehr sind die Arbeiterinnen und Arbeiter in Form einzelner Komitees selbst dafür verantwortlich, dass alles gut für sie läuft. Gibt es Probleme, können sie externe Beschwerdestellen einschalten.

Ein weiterer beeindruckender Redner auf dem Podium war Stefan Niethammer. Er ist Gründer und Geschäftsführer des nachhaltigen Modelabels 3Freunde und zusätzlich Chef der Textilfabrik Mila Fair Clothing in Indien. Sein Ziel sei es, das perfekte T-Shirt zu produzieren mit glücklichen Menschen in jeder Produktionsstufe und einer transparenten Lieferkette. Ein leuchtendes Vorbild in der Branche! Er rief alle dazu auf, sich zu einer kritischen Masse zusammen zu schließen, um die Politik und Regierungen dazu zu bewegen, Veränderungen in der Textilbranche zu bewirken.

Auch Ben van Peperstraete von der Clean Clothes Campaign (Kampagne für saubere Kleidung) stellte seinen Ansatz für Veränderungen in der Textilbranche überzeugend dar: Anstelle von externen Auditoren müssten Markenunternehmen selbst ihre Lieferketten kennen und eigenständig prüfen, ob Menschrechte in der Produktion eingehalten werden. Durch Kampagnenarbeit will die CCC öffentlichen Druck auf Unternehmen auswirken, indem sie Konsumentinnen und Konsumenten zum Einfordern sauber produzierter Kleidung aufruft. Außerdem seien Regulierungsrichtlinien der nationalen Staaten und der EU ein wichtiger Beitrag für bessere Produktionsbedingungen.

Gesetzliche Regulierungen, die Menschenrechte achten

Damit auch die Politik in der Diskussionsrunde zu Wort kam, hatten die Organisatoren die belgische Parlamentsabgeordnete Gwenaelle Grovonius und die EU-Parlamentarierin Lola Sanchez eingeladen. Beide sind bereits überzeugte Anhängerinnen von Fairtrade. Grovonius stellte kurz das Fairtrade-Engagement des belgischen Parlaments vor. Alles begann mit einem Fairtrade-Frühstück. Inzwischen hat das Parlament seine öffentliche Beschaffung was Lebensmittel wie Kaffee, Orangensaft, Schokolade oder Zucker angeht auf Fairtrade umgestellt. In Planung ist auch, Uniformen und Arbeitskleidung von Menschen im öffentlichen Dienst auf Textilien mit Fairtrade-Baumwolle umzustellen. Ziel ist, dass Belgien im Jahr 2020 mit dem Titel „Fairtrade Country“ ausgezeichnet werden will. Belgische Bürgerinnen und Bürger rief sie dazu auf, die Parlamentarier bei ihrem Vorhaben zu unterstützen und Druck auf die Regierung auszuüben.

Auch EU-Abgeordnete Lola Sanchez appellierte an das Publikum: „Fragt nach bei den Unternehmen „Who made my clothes?“ Macht Druck!“ Sie erklärte, dass im Grunde einer Gesetzgebung für faire Produktion ohne Menschenrechtsverletzungen und saubere Lieferketten nichts im Wege stehe. Das EU-Parlament habe den Gesetzentwurf vorbereitet. Nur fehle die Zustimmung der EU-Kommission, weil diese von der starken Unternehmer-Lobby in Brüssel ausgebremst werde. Der Druck auf die Kommission müsse erhöht werden. Deshalb bräuchten die EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier die Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn wir alle ausschließlich nach Produkten fragten, die ohne Menschenrechtsverletzungen hergestellt wurden, würden die Mächtigen zum Handeln gezwungen werden – sowohl die Unternehmen als auch die Regierenden.

Das waren spannende Einblicke in das Engagement jeder und jedes Einzelnen. Nur fehlten in der Runde die großen Markenunternehmen oder Regierungsvertreter, damit eine kontroverse Diskussion entstehen konnte. Aber die Botschaft kam an: Nur wenn wir uns alle gemeinsam für die Einhaltung von Menschenrechten bei der Produktion unserer Kleidung einsetzen und aktiv nachfragen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurde, wird sich etwas ändern (#WhoMadeMyClothes).

Insgesamt war der Slow Fashion Day in Brüssel ein sehr gelungenes, bunt-kreatives Event! Sehr inspirierend, um mal wieder einen eigenen Fashion Fairday in Köln zu organisieren.