In den letzten Jahren habe ich einige Produzentenorganisationen des fairen Handels selbst besuchen können: in Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien. Seit zwei Jahren wohne ich nun in Hamburg. Bekanntlich eine wichtige Handelsstadt. Und als Fairtrade Town wurde Hamburg auch bereits ausgezeichnet. Vom Welthandel (oder gar fairem Handel) bekommt man in der Großstadt jedoch alltäglich gar nicht so viel mit, wenn man nicht gerade am Hafen ein Containerschiff sieht. Das hat sich in der nordperuanischen Wüstenlandschaft, wo einem LKW beladen mit Bananen auf dem Weg zum Hafen entgegen kommen, anders angefühlt.

Kaffeeduft in Hafennähe

IMG_20150914_144928Nach und nach konnte ich entdecken, welche Rolle Hamburg und sein Hafen auch für den fairen Handel spielt: Im September 2015 treffe ich bei Hamburger Nieselwetter Sonia Vasquez und Rodolfo Peñalba von der Kooperative Café Orgánico Marcala (COMSA) aus Honduras an einer Bushaltestelle in Hamburg-Billbrook, einem Industriegebiet in der Nähe des Hafens. Dort wollen wir gemeinsam mit zwei Mitarbeiterinnen von TransFair die Firma J.J. Darboven besuchen. Das Familienunternehmen wurde 1866 gegründet und es importiert, röstet und vertreibt Kaffee. So auch den Bio-Kaffee von COMSA aus Honduras. Dieser landet im „Café Intención“, einer Fairtrade-Kaffeemarke, die Darboven unter eigenem Namen vertreibt und auch kräftig bewirbt. Zur Freude von Sonia und Rodolfo trinke ich diesen Kaffee seit Jahren, ohne bisher gewusst zu haben, dass er in Hamburg vom Schiff geladen und geröstet wird.

IMG_20150914_152514Nach den Formalitäten am Empfang werden wir vom Management des Unternehmens begrüßt. Anschließend findet ein Kennenlernen und Ausloten von zukünftigen Kooperationsmöglichkeiten zwischen COMSA und Darboven statt und wir besichtigen wir die Produktion. Es riecht nach Kaffee, überall! Vorbei an den großen Röstmaschinen geht es in die Halle, wo der Kaffee verpackt wird. Wir sehen tausende Packungen, die sich an Förderbändern um uns herum bewegen, meist in der gelben Farbe von „Café Intención“. Eine Extra-Maschine klebt einen kleinen Informationsfolder auf die Packung mit weitergehenden Informationen zum fairen Handel. Nach der Produktion geht es ins Kaffee-Labor. Hier sind die Experten unter sich: Rodolfo fachsimpelt mit den Experten für Qualitätssicherung und Einkauf und sie riechen und schmecken jeden feinen Unterschied. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass das Fachurteil über meine Intención-Senso-Pads nicht ganz so gut ausfällt – und im Vergleich zu den frisch gemahlenen Intención-Bohnen nicht dem entspricht, was ich dafür bezahle. Trotzdem ist es spannend mitzuerleben, wie die Vertreter einer Kleinbauernkooperative auf die einer großen Firma treffen, die ihr Produkte im hart umkämpften deutschen Lebensmitteleinzelhandel auf den Markt bringt – zu Fairtrade-Bedingungen! Zudem bekommt ein Produkt, was ich allmorgendlich konsumiere, ein Gesicht.

Ausgezeichnete Bananen aus Ecuador und Peru

539A0651Noch besser fügt sich mein Bild bei den Bananen zusammen: Vor drei Jahren habe ich die peruanische Bananenkooperative APBOSMAM besucht. Sie verkauft unter anderem an Port International, einem Hamburger Fruchtimporteur, der auch Fairtrade-Bananen für europäische Supermarktketten und Großhändler importiert. Die Bananen werden in Containern durch eine karge Wüstenlandschaft zum Hafen nach Paita gebracht. Von dort bringt sie ein Schiff, was auch noch Bananen aus Ecuador auf Paletten geladen hat, durch den Panamá-Kanal nach Deutschland. Genau genommen natürlich nach Hamburg, was mir auch nicht klar war, als ich nach Hamburg gezogen bin.

Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, beim Löschen des Schiffs aus Paita dabei zu sein! In atemberaubender Geschwindigkeit laden Kräne die Paletten aus dem Bauch des Schiffes. Gabelstapler bringen sie in die Lagerhalle, wo sie von einem automatischen Lagersystem aufgenommen werden. Die Paletten mit Fairtrade-Bananen sind hier übrigens vermischt mit Bananenkisten allerlei anderer Hersteller, Importeure und Handelsmarken. Ein ausgeklügeltes Logistiksystem behält dabei den Überblick und jede Kiste der Fairtrade-Bananen kann bis zur Parzelle eines jeden Kleinbauern zurückverfolgt werden.

539A0655In einem angeschlossenen Raum findet die Qualitätskontrolle statt: Nur grüne Bananen dürfen eingeführt werden, gelbe werden vernichtet. So sieht es die Verordnung (EG) Nr. 2257/94 der Europäischen Kommission vor. Neben dieser Sichtkontrolle werden einzelne Kisten aus einzelnen Paletten stichprobenartig genauer untersucht: Stimmt die Größe? Sind die Bananenhände sauber abgeschnitten und gibt es keine Druckstellen oder Schädlingsbefall? Nach alldem was ich in Peru beobachten konnte, wie die Bananen professionell und pfleglich behandelt, sortiert, geschnitten, gewaschen, desinfiziert und verpackt werden, ist es für mich kaum vorstellbar, dass hier etwas schief läuft. Aber bei einer Reise von über 10.000 km und tausenden Kisten pro Jahr kann bei der einen oder anderen Kiste doch etwas passieren. Der Ernährungswissenschaftler Nico Dau-Schmidt von Port International erklärt mir, dass zudem die Qualität von den einzelnen Produzenten einer Kooperative durchaus unterschiedlich sein kann: Nicht jeder Kleinbauer beachtet alle Maßnahmen für eine gute Qualität in gleicher Weise. In dieser Beziehung handelt Port International nicht nur mit ein paar wenigen Kooperativen als Geschäftspartner, sondern mit tausenden von Kleinproduzenten. Das macht das Geschäft durchaus aufwändiger als wenn man mit großen Plantagen zusammenarbeitet. Neben den vor Ort durchgeführten Kontrollen konnte ich zusehen, wie einzelne Bananen ins Labor geschickt werden um sie auf Pestizidrückstände zu kontrollieren.

Port International importiert übrigens seit 1997 Fairtrade-Bananen und hat für Konsequenz, Nachhaltigkeit und Durchhaltevermögen 2012 den Fairtrade-Award bekommen!

Fairhandelsstadt

539A0645Neben den beiden größeren Firmen gibt es eine Reihe weiterer Hamburger Firmen, die ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte. Die fritz-kulturgüter GmbH stellt in Hamburg die Fairtrade-Bio-Limonade Anjola her, kleinere Röstereien wie Quijote betreiben Direkthandel hochwertiger Kaffees (auch von COMSA übrigens) und in Altona hat Jan Spille, der Pionier für faires Gold, sein Atelier. Er hat in diesem Jahr den Fairtrade-Award bekommen und meine Frau und ich tragen seit diesem Jahr die ersten Trauringe, die Jan Spille und sein Team aus Fairtrade-zertifiziertem Gold hergestellt hat. Dieses stammt von der Bergbaukooperative Sociedad de Trabajadores Mineros (SOTRAMI) aus Peru. Hamburg ist also eine Fairhandelsstadt! Trotz aller Vorbildlichkeit der genannten Firmen kommen in Hamburg aber auch große Mengen nicht fair gehandelter Bananen, Kaffee und vieler anderer Produkte an und gehen über die Ladentheken. Teilweise auf denselben Schiffen. Der Wille der Unternehmen ist offenbar da, die Infrastruktur ebenfalls – es sind also wieder die Konsumenten, die es in der Hand haben, dass noch mehr Handel fairer wird.