Mit einer Delegation der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), einer Mitgliedsorganisation von TransFair, der Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG) und missio war ich die letzten beiden Wochen in Ruanda und Burundi. Neben einigen Projektbesuchen und dem Austausch mit unseren Pfadfinderpartnern stand auch Fairer Handel auf dem Programm. Wir hatten uns für eine Kaffee-Kooperative entschieden, die in den letzten Jahren auch an Starbucks lieferte. Die Kette schenkt seit einigen Jahren in Europa zu 100% Fairtrade-Espresso aus, so auch meinen Caramel Macchiato. Außerdem haben wir das Starbucks Farmer Support Centre besucht.
Zunächst galt es, den Weg zur Dukunde-Kawa-Kooperative in Musasa in Ruandas Gakenke District zu finden. Wir hatten mit etwa einer Stunde auf der großen asphaltierten Straße gerechnet und dann noch einmal etwa 20 Minuten auf kleineren Straßen bis wir da sind. Die kleinen Straßen waren dann doch etwas anspruchsvoller und aus den 20 Minuten sind letztendlich zweieinhalb Stunden geworden… Es blieb also nicht ganz so viel Zeit wie geplant, da wir auf unserem Heimweg gerne vor Sonnenuntergang (um Punkt sechs Uhr) wieder auf großen Straßen sein wollten. Es blieb aber genug Zeit, uns mit Isaac Nsanzamahoro, dem Geschäftsführer der Kooperative, sowie mit einigen anderen Mitarbeitern ausführlich zu unterhalten und uns vor allem die Weiterverarbeitungsanlagen zeigen zu lassen (weitere Infos zur Kooperative befinden sich im missio-Reiseblog).
Die Musasa-Kooperative ist groß!1118 Mitglieder, drei große Einheiten von Wasch-, Fermentier-, Trocken- und Sortierstationen, 26 feste Mitarbeiter sowie 300 Saisonkräfte. Mir drängen sich Vergleiche zur Kooperative Alto Sajama in Bolivien auf, die ich vor drei Jahren besucht hatte. Auch wenn sie ähnlich hochwertigen Kaffee produzieren, so ist Musasa doch knapp dreißig mal größer als Alto Sajama, der gesamte Verarbeitungsprozess wird von der Kooperative gemanagt und nicht von den Kleinbauern selbst und wir kommen nicht in direkten Kontakt mit den Mitgliedern der Kooperative. In Bolivien habe ich stundenlang mit den Kooperativenmitgliedern diskutiert. Es macht ein bisschen den Eindruck, dass das Kooperativenmodell in Ruanda noch nicht so etabliert ist wie in Bolivien, auch wenn Ruandas Regierung die Kleinbauern dazu drängt sich in Kooperativen zusammenzuschließen.
Was den Kaffeeanbau und Fairen Handel betrifft, so unterscheiden sich Alto Sajama und Musasa aber weniger: Auch Musasa setzt einen großen Teil der Produktion (geschätzte 80%) über den Fairen Handel ab, andere Zertifizierungen wie utz oder Rainforrest Alliance spielen derzeit keine Rolle und es konnten eine Vielzahl an Projekten aus den Fairtrade-Prämien realisiert werden. 80% Fairtrade-Absätze sind leider unter den Fairtrade-Kooperativen noch lange keine Normalität und es macht den Eindruck, dass Musasa auch deshalb sehr gut da steht. Trotzdem bittet Isaac uns, möglichst vielen Menschen von Musasa zu erzählen, so dass sie bald all ihren Kaffee über den Fairen Handel absetzen können.
Was die Fairtrade-Prämien betrifft, listet uns Isaac in kürzester Zeit eine Vielzahl an Projekten auf, die sie bereits umgesetzt haben: Die Errichtung eines Trainingscenters für die Kaffeebauern, eines überdachten Marktes sowie einer Kantine für die Mitarbeiter, die Renovierung des Lagers und die Anschaffung von Maschinen zur Verarbeitung und Qualitätssteigerung des Kaffees sowie von Kühen für die Kaffeebauern. Für das nächste Jahr ist die (nach unserer Meinung nach dringend notwendige) Renovierung der Straße zur Kooperative anvisiert. Gerade das Kuhprojekt finden wir interessant: Kühe sind eine Art Statussymbol in Ruanda und nicht jeder Kleinbauer kann sich eine leisten. Sie liefern täglich Milch und wertvollen Dung für die Kaffeepflanzen. Die Kooperative hat dass Kuhprojekt so organisiert, dass sie eine bestimmte Anzahl an Kühen an einige Kaffeebauern ausgegeben hat, die Kälber dieser Kühe bekommen dann Kaffeebauern, die in der ersten Runde noch keine Kuh bekommen haben.
Am nächsten Tag sind wir in Kigali im Starbucks Farmer Support Centre mit der Leiterin Julianne Kayonga verabredet. Neben ausgiebigen Kaffeeproben und Wissen über Kaffeeverarbeitung und -qualität lernen wir auch einiges über das Engagement von Starbucks (weitere Infos dazu befinden sich in meinem Artikel im missio-Reiseblog). Julianne bestätigt meine Überlegungen zum Kooperativenwesen in Ruanda: Viele Kaffeebauern sehen sich nicht als Teil ihrer eigenen Kooperative, auch wenn sie es faktisch natürlich sind, sondern sehen die Kooperativen eher als Firmen, die ihnen den Kaffee abkaufen. Dies habe häufig etwas mit Missmanagement der Kooperativenleitungen zu tun. Für die qualitativ hochwertige Weiterverarbeitung des Kaffees und um gemeinsam gute Verkaufspreise zu erzielen sind die Kooperativen aber natürlich eine sehr sinnvolle Organisationsform.
Wir fragen Julianne auch nach Starbucks Engagement bei Fairtrade. Sie betont, dass sie uns im folgenden ihre persönliche Meinung berichten wird und beginnt dann zu schwärmen: Die Fairtrade-Stardards sein wirklich sehr gut! Sehr anwendbar, sehr praktikabel und sehr verständlich! Sie und ihre Kollegen sind sehr zufrieden mit den Standards, vor allem weil sie eben praxisnah und gut zu vermitteln sind.
Zuletzt kommen wir noch auf ein Thema, was bei den Produzenten von vielen Fairtrade-Produkten zum Problem zu werden scheint – zuletzt berichteten mir Teepflücker in Darjeeling in Indien davon: Die Arbeit auf dem Feld ist für die junge Generation immer weniger interessant. Gerade durch verbesserte Bildungschancen der Kinder im Fairtrade-System wollen diese studieren und in großen Städten in der Wirtschaft oder IT-Industrie arbeiten. Genau so berichtet es uns Julianne von Starbucks: Die Jugend ist nicht interessiert an Landwirtschaft und am Leben in abgelegenen Dörfern. Deshalb möchte das Starbucks Farmer Support Centre jetzt verstärkt mit NGOs zusammenarbeiten, die mit Jugendlichen arbeiten.