„Are you __ing?“
– „Pardon? Am I what?“
„R-O-A-M-I-N-G.“
– „Ah! No.“
So oder so ähnlich widerholt sich das Gespräch etwa zehn Mal. Ich bin in Swasiland, verstehe alles nur nach mehrmaligem Nachfragen und habe kein Handynetz. „Swasi-wo?“ wurde ich beim Versuch, einen Flug dorthin zu buchen, gefragt. Entsprechend habe ich dann besser einen Flug nach Johannesburg genommen und bin dort in den Bus gestiegen, um mich nach vier Stunden Fahrt in den Bergen des Königreiches Swasiland wiederzufinden. Das kleine Land mit 1,2 Millionen Einwohnern grenzt zu drei Seiten an Südafrika und im Osten an Mosambik. König Mswati III regiert es seit 1986 faktisch in alleiniger Herrschaft. „When you arrive in Swaziland you must salute the king, maybe he’ll marry you!“ hatte mir der Grenzbeamte am Johannesburger Flughafen freundlicherweise noch geraten. Ich sehe allerdings nicht so die dringende Notwendigkeit, denn der König hat schon 14 Ehefrauen. Bei der alljährlichen Umhlanga-Zeremonie tanzen 40 000 junge Frauen aus ganz Swasiland für ihn, von denen er je eine zu seiner neuen Frau erwählen kann.
Wunsch nach mehr Demokratie
Problematisch an diesem großen Haushalt ist allerdings, dass Mswati III für jede seiner Frauen einen eigenen Palast bauen lässt. Im Jahr 2011 kam es unter anderem deshalb zu Protesten: Die Bevölkerung, die weitgehend in Armut lebt und die höchste HIV-Rate weltweit aufweist, warf dem König vor, Staatsgelder hauptsächlich in Luxusgüter für sich und seine Familie anstatt in Gesundheit und Entwicklung seines Volkes zu investieren. Außerdem protestierten die Swasis für mehr politische Wahlmöglichkeiten. Die Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, einige Protestführer und Journalisten kamen ins Gefängnis. Seither ist die Lage ruhig, doch Beobachter sehen es nur als eine Frage der Zeit an, bis das Volk wieder Reformen fordern wird.
Einen Monat zu Gast beim Produzentennetzwerk
Das alles wusste ich natürlich nicht, bevor ich erfahren habe, dass ich nach Swasiland reisen würde. Warum bin ich hier? Im Rahmen meines Volontariats bei TransFair habe ich die Möglichkeit, vier Wochen für das Produzentennetzwerk Fairtrade Africa (FTA) zu arbeiten. Dieses repräsentiert die Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Arbeiter und Arbeiterinnen in Afrika und dem Nahen Osten. Über das Netzwerk sind die Produzenten an allen Entscheidungen, die das Fairtrade-System betreffen beteiligt. Da diese Entscheidungen Einfluss auf ihre eigene Zukunft und die ihrer Familien haben können, ist diese Möglichkeit der Einflussnahme enorm wichtig und ein einzigartiges Merkmal des Fairtrade-Systems. Im Fairtrade-System haben die Produzenten 50 Prozent Stimmgewicht – nicht nur im höchsten Entscheidungsgremium, der Mitgliedervollversammlung, sondern sind auch maßgeblich am Vorstand und an allen anderen internationalen Komitees beteiligt.
Regionale Netzwerke repräsentieren Fairtrade vor Ort
Um die Produzenten vor Ort effektiv unterstützen zu können, hat Fairtrade Africa für Nord-, West, Ost- und Südafrika jeweils regionale Netzwerke eingerichtet. Ich unterstütze diesen Monat das Southern Africa Network (FTA-SAN). Es hat seit Kurzem eine neue Leitung: Faith Ndunge Muisyo hält die Position als Head of Region. Die Vorsitzenden von FTA-SAN sind der Blumenarbeiter Tinashe Chigarisano aus Simbabwe und der Zuckerbauer Philemon Malandula aus Swasiland. Um gemeinsame Ziele herauszuarbeiten und die zukünftige Zusammenarbeit zu planen, treffen sich die Hauptakteure des Netzwerks für drei Tage im malerischen eZulwini-Tal zu einem Strategie-Meeting. Und ich habe das Glück, dabei zu sein! Und daher bin ich hier, verstehe wie erwähnt keinen der vielfältigen Englisch-Akzente und bekomme kein Handynetz. Aber das Gute ist: das Roaming-Problem betrifft uns alle und so sind wir gezwungen, live, direkt und konstruktiv miteinander zu kommunizieren. Alle – das sind Head of Region und Vorstand des Southern Africa Network, VertreterInnen von Fairtrade Africa sowie die ProduzentenberaterInnen für die Region südliches Afrika. Diese sogenannten Liaison Officers beraten die Fairtrade-Produzentenorganisationen zu Zertifizierungsfragen, Organisationsentwicklung, Weiterbildung, Entwicklung von Wirtschaftsplänen, Demokratisierung und weiteren Herausforderungen.
Produzenten-Unterstützung mit Strategie
In drei Tagen intensiver Arbeit mit Vorträgen, Gruppendiskussionen und unzähligen engbeschriebenen Flip Charts, haben wir Werte, Kernkapazitäten und strategische Lücken in der Arbeit des Southern Africa Network herausgearbeitet. Am Ende von Tag Drei steht der FTA-SAN-Plan für das Jahr 2015:
Eines der Hauptziele ist es, den Marktzugang für Produzenten weiter zu verbessern, denn nur wenn sie relevante Anteile ihrer Ernten zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen können, werden die positiven Wirkungen des Fairen Handels für sie auch deutlich spürbar. Hierbei muss das Southern Africa Network eine Doppelrolle erfüllen: Nur für die Republik Südafrika gibt es bislang eine nationale Fairtrade-Organisation, die – ebenso wie TransFair in Deutschland – das Fairtrade-Siegel für Produkte vergibt, die auf dem südafrikanischen Markt verkauft werden. In keinem anderen Land der Region wie beispielsweise Botswana, Simbabwe oder Madagaskar gibt es derzeit einen heimischen Markt für die vor Ort angebauten Fairtrade-Rohstoffe oder -Produkte und dies möchte FTA-SAN ändern!
Ziel ist es außerdem, die Produzenten der gesamten Region Südafrika stärker in das System einzubinden, indem ihre Bedürfnisse genau erhoben werden und das Wissen über Fairtrade insbesondere unter lohnabhängig Beschäftigten stärker verbreitet wird. Hier haben die beiden Vorsitzenden des Netzwerks zugesagt, eine aktive Rolle zu übernehmen.
Weitere Ziele betreffen Kommunikations- und Marketingmaßnahmen sowie Schritte zu einer soliden und für alle transparenten Organisationsstruktur.
Bye bye, Swaziland!
Für mich war es unglaublich spannend, direkte Einblicke in die Prozesse am Anfang der Fairtrade-Lieferkette zu bekommen! Doch ein wenig wollten wir uns auch noch in unserem Gastgeberland umsehen und so klappten wir – nachdem Ziele und konkrete Maßnahmen beschlossen waren – schnell die Laptops zu, rollten die Flip Charts zusammen und quetschten uns zu zehnt in den Pick Up von Philemon, um ins Mantenga-Tal zu fahren. Dort informierten wir uns über das Leben in einem traditionellen Swasi-Dorf und machten anschließend einen Spaziergang zum nahegelegenen Wasserfall. Nach der Beteuerung, dass die hiesigen Krokodile eher die unteren Flussabschnitte bevorzugen, sprang ich in den Fluss um mich etwas zu erfrischen, merkte aber bald, dass ich die Einzige blieb und mich die KollegInnen belustigt beäugten: “Those Germans… but you’re doing great, Giovanna!“ Am Abend hieß es dann Abschied nehmen, denn frühmorgens verstreuen wir uns wieder in alle Länder des südlichen Afrika. Für mich geht die Reise weiter nach Kapstadt, von wo ich bald wieder berichten werde!
Hello, Giovanna
angesichts der in Deutschland tobenden Kritiken, hätte ich gerne für unsere Aktionsgruppe eine zuverlässige Info aus der African Network-Quelle auf folgende Fragen.
Beispiel: Kaffee-Kooperative X mit 600 Mitgliedern.
1) Zertifizierungskosten für jeden einzelnen Bauer
Antragsgebühr: 525 € + danach jährliche Zertifizierungsgebühr von 2.250 €. Fallen diese Z-Gebühren für JEDES Mitglied als Kaffeebauer an? … oder wird Gruppenzertifizierung vorgenommen? Wenn so, wieviele Bauern teilen sich in der Regel die og. Kosten?
2) Z-Kosten: Wieviel fällt auf Ebene der Kooperative, die getrennt zertifiziert sein muss, an?
3) Ab einer Abnahme von zwei Containern Rohkaffee würden die Z-Kosten aufgegangen sein – liest man. Stimmt das? … Wieviele Container produziert im Durchschnitt und ganz grob ein Bauer, der 2 Hektaren Kaffee anbaut?
4) Nur 40% der unter FT-Bedingungen produzierten Rohstoffe können zum FT-Mindestpreis verkauft werden, die restlichen 60% also zu den konventionellen Preisen.
Sind das auch Erfahrungswerte, die das African Network bestätigen würde? Hängt es stark vom Produkt ab? Hängt es auch ab von der Fähigkeit der Fairtrade-Kooperative sich besser zu „fairkaufen“?
Einen riesigen Dank für deine hilfreiche Antwort.
Mit fairen Grüßen, Fleurance für die Fairtrade Initiative Saarbrücken
Liebe Fleurance,
vielen Dank für deine Fragen.
1) Die Kosten der Zertifizierung variieren je nach Größe der Produzentenorganisationen. Ohne eine erste Zertifizierung vor Ort kann keine Produzenten-Organisation ihre Produkte unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen. Der Zeitaufwand für die Kontrollen ist sehr unterschiedlich und abhängig von der Größe der Kooperative, der Organisations-Struktur und der Anzahl der unterschiedlichen Produkte, die zertifiziert werden sollen. Die Zertifizierung und Kontrolle nach Fairtrade-Standards wird von der unabhängigen FLOCERT GmbH durchgeführt.
Ganz zu Beginn muss von der Kooperative eine „Application Fee“ also eine Anmelde- und Prüfgebühr gezahlt werden. Sie beträgt 525 Euro und überprüft, ob die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine mögliche Zertifizierung vorliegen. Es folgt ein großes Eingangsaudit, bei dem die Kontrolleure von FLOCERT überprüfen, ob alle Kernkriterien der Fairtrade-Standards erfüllt werden. Für eine Kaffeekooperative mit 600 Mitgliedern beträgt diese Erst-Zertifizierungsgebühr 3.060 Euro. Nachdem die Produzentenorganisation die Fairtrade-Zertifizierung erhalten hat, wird sie in einem jährlichen Rhythmus kontrolliert. Für eine Kaffeekooperative mit 600 Mitgliedern beträgt diese Gebühr 2.410 Euro. Die Gebühr deckt alle Kosten für die Kontrolleure und Service von FLOCERT. Die Kostenstrukturen sind auf der Website von FLOCERT exemplarisch veröffentlicht; vor Ort hängen die Kosten auch vom tatsächlichen Aufwand bzw. der Aufenthaltsdauer ab.
2) Die oben genannten Kosten tragen alle Kooperativenmitglieder gemeinsam. Bei 600 Mitgliedern fallen also für jedes Mitglied 88 Cent für die Anmelde- und Prüfgebühr sowie 5,10 Euro für die Erstzertifizierungsgebühr an. An der Gebühr für die jährliche Kontrolle beteiligt sich jedes Kooperativenmitglied mit 4,02 Euro.
3) Der Schwerpunkt der afrikanischen Kaffeeproduktion liegt auf Zentralafrika und Äthiopien. Malawi ist das einzige südafrikanische Land, in dem Kaffee angebaut wird. Im Jahr 2012 erzielten Kaffeebauern dort durchschnittlich einen Ertrag von 2,2 Tonnen pro Hektar Anbaufläche (Quelle: FAOSTAT). Ein Kaffeecontainer fasst 20 Tonnen Rohkaffee. Geht man von den 2012er Zahlen aus, erwirtschaftet ein malawischer Kaffeebauer auf zwei Hektar Land also 0,22 Container Rohkaffee im Jahr.
Für jedes Pfund gewaschenen Arabica-Rohkaffees erhält eine Fairtrade-Produzentenorganisation beim Verkauf unter Fairtrade-Bedingungen den Fairtrade-Mindestpreis von 1,40 US-Dollar plus 20 Cent Fairtrade-Prämie. Handelt es sich um biologisch angebauten Kaffee, erhält er zudem einen Zuschlag von 30 Cent pro Pfund.
Zurück zu unserem Beispiel: Ein malawischer Kaffeebauer baut auf 2 Hektar Arabica-Kaffee an und ist Mitglied einer Kooperative aus 600 Bauern, die sich in diesem Jahr Fairtrade-zertifizieren lassen hat. An den Kosten für Anmeldung und Erstzertifizierung hat er sich mit insgesamt 5,98 Euro – umgerechnet ca. 7,50 US-Dollar – beteiligt. Mit dem Verkauf von 5,4 Pfund Rohkaffee – das sind rund 0,245 Tonnen bzw. 0,012 Container und macht einen Anteil von 5,6 Prozent an seiner Gesamternte aus – zu Fairtrade-Bedingungen, hat er also sowohl die Zertifizierungsausgaben ausgeglichen als auch 1,08 US-Dollar Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte seiner Kooperative erwirtschaftet.
4) Im Jahr 2012 konnten Fairtrade-zertifizierte Kaffee-Organisationen weltweit durchschnittlich 35 Prozent ihrer Ernten zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen. Viele Faktoren beeinflussen die Fairtrade-Absätze, unter anderem variieren diese zwischen den verschiedenen Produktkategorien. Der aktuelle Wirkungsbericht von Fairtrade International informiert ab Seite 41 ausführlich über Fairtrade-Produktion und Verkäufe. Detailinformationen zu ausgewählten Produkten gibt es ab Seite 67.
Viele Grüße,
Giovanna