Auf der Bootsfahrt über den Naivashasee, die auch als ausführliches Interview genutzt wird, bekommt man einen guten Überblick über die viele Blumenfarmen, die sich am Seeufer angesiedelt haben. Es ist schon seltsam zu beobachten, dass der Übergang zwischen Blumenfarmen und Naturparks nahtlos verläuft. Wildtiere laufen einfach so herum, ein Schauspiel, das ich nur von Safaris kenne.
Eine oft gestellte Frage, so auch vom ZDF, ist: müssen wir Rosen von so weit her importieren?
Dass die Klimabilanz von kenianischen Rosen überwiegend besser als holländische Treibhausware ist, gehört ja bisher noch nicht zum Allgemeinwissen. Dass müssen wir ändern. Auch ärgert es mich, dass viele Waren aus Afrika generell unter den „Klimaverdacht“ gestellt werden. Wie soll sich Afrika wirtschaftlich entwickeln, wenn wir ihnen „jedes Produkt um die Ohren hauen“ und gleichzeitig hängt unser Wohlstand als „Exportweltmeister“ davon ab, das überall auf der Welt brav Volkswagen oder BMW gefahren wird, Bosch, Siemens und Co gekauft wird???? Wie gesagt, selbst unter dem Klimaaspekt ist die kenianische Rose einer europäischen Treibhausrose vorzuziehen.
punda mikokoteni
Danach war wieder Farmlife auf Kingfisher dran. Aber ausnahmsweise waren jetzt nicht die zahlreichen Blumenpflückerinnen in der Hauptrolle, sondern die imposante Eselcrew! Esel gehören in Kenia zum normalen Straßenbild. Viele leben einfach auf der Straße, verletzte und misshandelte Tier verenden oft am Straßenrand. Craig Oulton hat sich gemeinsam mit seiner Frau dieser verwahrlosten Tiere angenommen, sie medizinisch versorgt und wieder aufgepeppelt. Heute dürfen 40 Tiere auf der Farm leben und sind als Fuhrpark eingestellt, gegen freie Kost und Logis! Sie bringen die Rosen von den Gewächshäusern in die Verpackungsstation. Klimafreundlich und ohne Abgase.
Fairtrade-Gemeinschaftsprojekte
Danach war der Besuch des Krankenhauses dran. Auch hier ein gutes Beispiel für die Verwendung von Fairtrade-Geldern. Hier wurde die notwendige Anschaffung eines modernen Ultraschallgerätes und eines Röntgenapparates finanziert. Dies sind neben der Finanzierung zahlreicher Schulstipendien für weiterführende Schulen oder die Fortbildung der Arbeiter von der EDV bis zum Mechaniker, gute Beispiele, wie Fairtrade am Naivashasee wirkt.
Dass die Fairtrade Standards wirklich eingehalten werden und wie die Verwendung der Fairtrade-Prämien überprüft wird, dies wird die Geschichte für den nächsten Tag. Der erfahrene FLO CERT-Inspektor Benjamin Mujangangi wird uns zeigen, wie ein Fairtrade-Audit abläuft. Er ist selber Agraringenieur und hat elf Jahre verantwortlich auf einer Blumenfarm gearbeitet. Er lässt sich kein „x“ für ein „u“ vormachen. Nun ist aber Feierabend für heute.
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Lohnbeispiele aus Kenia:
- Normalverdienst eines Arbeiters auf einer normalen Blumenfarm liegt bei 6.100 kenianischen Schillinge/Monat, inklusive eines Wohngeldzuschusses von 1.500 kenianischen Schillinge,
- Bei Fairtrade-zertifizierten Blumenfarmen verdient ein normaler Arbeiter 7.500 kenianischen Schillinge/Monat, exklusive Wohngeldzuschuss. Auf vielen Farmen wird Wohnraum gestellt, falls nicht kommen mind. 15-20% dazu.
- Nicht ausgebildete Lehrer (secondary school-Absolventen) haben keine regulierten Gehälter und werden nicht von der Regierung, sondern von den Schulen selbst angestellt und verdienen in etwa 10.000 kenianischen Schillinge.
- Ausgebildete, von der Regierung angestellte Lehrer, verdienen 20.000 KSh plus Zuschüsse und Zulagen für Wohnung, Erschwernis, medizinische Versorgung, etc. von mind. 40%.
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Sehr geehrte Herr Overath!
In Ihrem Blog vom 29.09.12 geben Sie einige Lohnbeispiele für Kenia an. Ihre Aufstellung erweckt den Anschein, als ob die Blumenarbeiter (85,-€ auf fair-trade-Farmen/Monat) mehr als Lehrer (angeblich 60,-€ mtl.) verdienten.
Wegen des Lehrerstreiks hat die größte Zeitung des Landes „Daily Nation“ am 27.08.12 die Gehälter der Lehrer veröffentlicht: 35.375,- bis 42.877,- Keniashilling (vom Junglehrer einer primary school bis zum Schulleiter einer secondary school).
Umrechnung: 100,-Keniashilling = 1,-€, d.h. die monatlichen Lehrergehälter betrugen bisher 353,-€ bis 429,-€. (statt ca. 60,-€). Damit verdient ein kenianischer Lehrer 4-5 mal so viel wie ein Blumenarbeiter!
Selbst für ein Entwicklungsland wie Kenia sind aber Monats-Gehälter von 353,-€ bis max. 429,-€ niedrig. Deshalb streikten die Lehrer jetzt ja auch drei Wochen.
Wenn ich in Schulklassen für den fairen Handel werbe, muss ich manchmal (leider!) auf Schülerfragen nach dem Gehalt von Blumenarbeitern wahrheitsgemäß antworten:
Auf den Nicht-fair-trade-Farmen sind es bei der üblichen 45-Stundenwoche
38 €-Cent pro Stunde und 17,5 € pro Woche; auf den Fair-trade-Farmen sind es bei Finlay (das gilt m.W. nicht für alle fairtrade-Farmen!)
47 €-Cent pro Stunde und 21,2 € pro Woche.
Schüler überzeugt das nicht.
Was sagen hier eigentlich die Sozial-Standards von Fair-trade?
Mit freundlichem Gruß!
Christoph Stein
Sehr geehrter Herr Stein,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Die Angaben zu den Lehrergehältern wurden mir auf meiner Reise mündlich mitgeteilt, als wir die Lehrerstreiks in Nairobi aus dem Auto verfolgen konnten. Gerne werde ich meine Zahlen nochmals überprüfen und mit unseren Kollegen von Faitrade Africa Rücksprache halten. Sie hören von uns!
Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Overath
Sehr geehrter Herr Dr. Stein,
nochmals vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu meinem Beitrag. Bei meiner – inzwischen korrigierten Darstellung – habe ich voreilig Angaben verwendet, die mir auf meiner Reise mündlich mitgeteilt wurden. Wir haben unsere Kollegen von Fairtrade Africa um eine Richtigstellung gebeten. Das sind die Zahlen, die wir erhalten haben:
Die Gehälter bzw. branchenübliche Löhne auf Blumenfarmen werden in einem Collective Bargaining Agreement von der Agricultural Employer Association (Arbeitgeber), der Kenya Planters Workers Union (Gewerkschaft) und von der Regierung ausgehandelt (tripartite agreement = Dreierabkommen).
Dieser Mindestlohn beträgt 6.100 Ksh/Monat, inklusive eines Wohngeldzuschusses von 1.500 KSh. Konventionelle Farmen zahlen in der Regel diesen Mindestlohn. Fairtrade Farmen zahlen durchschnittlich 7.500 KSh/Monat, exklusive Wohngeldzuschuss. Auf vielen Farmen wird Wohnraum gestellt, falls nicht kommen mind. 15-20% dazu.
Nicht ausgebildete Lehrer (secondary school-Absolventen) haben keine regulierten Gehälter und werden nicht von der Regierung, sondern von den Schulen selbst angestellt und verdienen in etwa 10.000 KSh.
Ausgebildete, von der Regierung angestellte Lehrer, verdienen 20.000 KSh plus Zuschüsse und Zulagen für Wohnung, Erschwernis, medizinische Versorgung, etc. von mind. 40%.
Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Overath