Fairtrade schafft Zukunftsperspektiven für junge Landwirt*innen in globalen Lieferketten

Geschrieben von Melanie Leucht

Fairtrade unterstützt junge Produzent*innen, die Zukunft kleinbäuerlicher Landwirtschaft zu sichern

Von Kelly Hawrylyshyn, Leiterin der Abteilung Globale Ressourcenmobilisierung bei Fairtrade International

Landwirt*innen auf der ganzen Welt stehen vor einer großen Herausforderung: Wie können Familienbetriebe erfolgreich an die nächste Generation weitergegeben werden? Die Übernahme des Hofes könnte für viele junge Menschen in ländlichen Gebieten – wo Arbeitsplätze oft rar und schlecht bezahlt sind – ein Traumjob sein: eine Chance, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, moderne Technologien einzuführen und stolz darauf zu sein, zur Erhaltung der Umwelt beizutragen.

Leider sieht die Realität oft anders aus. Junge Menschen sehen den täglichen Kampf ihrer Eltern und haben häufig negative Assoziationen mit der Landwirtschaft, wie beispielsweise Armut und ein unfaires Einkommen. Den Lebensunterhalt auf dem Land zu verdienen ist für die meisten jungen Menschen nach wie vor wenig attraktiv, weshalb viele von ihnen auf der Suche nach Arbeit in die Städte oder ins Ausland abwandern.

Junge Menschen sind jedoch der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die durchschnittliche Altersstruktur der Bauernschaft liegt laut Fairtrade-Monitoring bei 55 Jahren! Wenn wir dieses generationenübergreifende Problem nicht angehen, wird es die bereits existierenden Herausforderungen der globalen Nahrungsmittelsysteme weiter verschärfen.

Hier sind fünf Wege, wie Fairtrade mit der nächsten Generation von Bauern zusammenarbeitet und für sie bessere Perspektiven schafft:

1. Bildung als Schlüssel

Fairtrade-Produzent*innen können selbst über die Verwendung der Fairtrade-Prämie entscheiden. Im Jahr 2020 wurden mehr als 190 Mio. Euro dieser Prämienmittel in SDG4 (Hochwertige Bildung) investiert – 35 Prozent der Prämie, die an Kooperativen insgesamt ausgezahlt wurde. Die Investitionen in Bildung reichen vom Bau von Schulen über den Kauf von Schulmaterial und Uniformen bis hin zur Bereitstellung von Stipendien und dem Transport von Schülern.

In den Verbraucherländern arbeitet Fairtrade mit Tausenden von Schulen und Lehrern zusammen und stellt Fairtrade-Unterrichtsmaterial zur Verfügung, das über die Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln sowie über wichtige entwicklungspolitische Herausforderungen wie Klimawandel und Geschlechtergerechtigkeit informiert. Mehr als tausend Fairtrade-Schulen und -Universitäten in 23 Ländern beteiligen sich an Kampagnen zur Förderung des SDG 12 (Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion).

2. Förderung von Unternehmertum

Fairtrade unterstützt junge Produzent*innen dabei, Kompetenzen in Führungs- und Finanzmanagement zu erwerben, um die Produktivität, das Management und die Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Junge Menschen in Fairtrade-zertifizierten Kooperativen werden auch in Agroforstwirtschaft, Agrarökologie und Naturschutz geschult – das soll sie befähigen, als Umweltschützer*innen zu agieren und andere zu ermutigen, dasselbe zu tun.

Bei der kolumbianischen Kaffeekooperative Red Ecolsierra beispielsweise treiben junge Menschen die Diversifizierung der Organisation im Bereich Ökotourismus voran. Sie leiten geführte Touren zu den Feldern der Kaffeebauern in der Sierra Nevada de Santa Marta, in der die Kaffeeproduktion stattfindet, sowie zu den gastronomischen, landschaftlichen und kulturellen Attraktionen der Region – des höchsten Küstengebirges der Welt.

3. Zusätzliche Einkommen generieren

Fairtrade-Programme unterstützen junge Erwachsene bei der Diversifizierung der Einkommensmöglichkeiten in ihren Gemeinden und sichern so die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft über Generationen hinweg. Zu den Initiativen gehören die Ausbildung junger Menschen in der Gründung nachhaltiger Agrarunternehmen, die Gründung von Innovationszentren für neue Technologien im Agrarsektor und die Herstellung und der Verkauf organischer Düngemittel. Sobald sie über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, können die Nachwuchsproduzent*innen neue Technologien anwenden, um die Produktivität, die Qualität und die Vermarktung ihrer Produkte zu verbessern.

Fairtrade-Kaffee-Kooperativen haben in Schulungen für jüngere Mitglieder zum Thema „Cupping“ (professionelle Kaffee-Verkostung, bei der die Qualität des Kaffees hinsichtlich Geschmack, Aroma sowie Sensorik geprüft wird) investiert und ihnen so neues Fachwissen vermittelt, von dem die gesamte Organisation profitiert. Junge Produzent*innen entwickeln und nutzen Maßnahmen für mehr Klimaresilienz, einschließlich der Umstellung auf saubere Energielösungen wie Sonnenkollektoren zum Trocknen von Kaffee und Kakao und energieeffiziente Kochherde. In Äthiopien stattete die Oromia-Kooperative im Rahmen der Fairtrade-Carbon Credits-Initiative 10.000 Kaffeebauern mit brennstoffeffizienten Kochherden aus und trug so zu einer Verringerung der Kohlenstoffemissionen um bis zu 70 Prozent bei.

4. Von Jugendlichen geführte Lobbyarbeit

Im Jahr 2022 wurde das Fairtrade-Botschafter-Programm ins Leben gerufen, um die Interessenvertretung der Erzeuger*innen zu stärken. Es besteht aus 15 jungen Produzent*innen, die neun Wertschöpfungsketten in 13 Ländern vertreten. Sie lernten die EU- und internationale Politik kennen und erfuhren, wie sie die Politik für einen gerechteren Handel beeinflussen können: indem sie Maßnahmen gegen Machtungleichgewichte in Lieferketten, Benachteiligung, Menschenrechtsverstöße und Klimawandel vorantreiben.

Die Botschafterinnen und Botschafter nehmen nun an hochrangigen Debatten teil und treten als sachkundige Vordenker und Expertinnen für nachhaltige Lebensmittelversorgungsketten auf. Sie haben ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen bereits auf UN-Klimakonferenzen, im Europäischen Parlament und in nationalen und lokalen Foren weitergegeben.

Auf den Philippinen beispielsweise organisierten Botschafter von Zuckerrohrgenossenschaften eine Sensibilisierungskampagne für 400 Grundschüler und 19 Lehrer an der Pandanon-Grundschule in Negros Occidental unter dem Motto „Support local, choose Fairtrade, save farmers“. Im Anschluss an die erfolgreiche Veranstaltung wuchs die Gruppe auf den Philippinen von 15 auf 80 Botschafter an, die nun durch öffentliche Mobilisierungsmaßnahmen und Kampagnen in den sozialen Medien aktiv mit lokalen Schulen, religiösen Organisationen und Gemeinden zusammenarbeiten. 

5. Einbeziehung der Jugend in die strategische Entwicklung von Fairtrade

Im Rahmen des Beitrags von Fairtrade zum SDG 10 (Verringerung von Ungleichheiten) arbeiten wir mit jungen Menschen zusammen, um sie dabei zu unterstützen, aktivere Mitglieder ihrer Genossenschaften zu werden.

Wir ermutigen sie, neue Rollen zu finden, nicht nur als Unternehmerinnen oder Jugendbotschafter, sondern auch innerhalb der Führungsstrukturen ihrer eigenen Organisationen. Das Ziel ist es, ihnen eine attraktivere und erfüllendere Zukunft in der Landwirtschaft zu bieten.

Ana Laura Sayago, eine 28-jährige Honigproduzentin aus Argentinien, ist die Jugendvertreterin im Vorstand des regionalen Fairtrade-Produzentennetzwerks in Lateinamerika und der Karibik (CLAC). Sie ist auch Mitglied des CLAC-Ausschusses für Gleichstellung und Integration sowie des Netzwerks argentinischer Landfrauen in Zusammenarbeit mit UN Women. Ana Laura ist die Tochter eines der Gründer der Honigkooperative Coopsol und engagiert sich für das Projekt Bees for Hope, das sich für den Erhalt der lokalen und kleinbäuerlichen Imkerei und die Bewahrung der lokalen Artenvielfalt einsetzt.“ Als junge Produzentin ist es definitiv schwieriger“, sagt Ana Laura. „Ich denke, ich muss oft doppelt so hart arbeiten wie andere, um Respekt und Gleichberechtigung zu erreichen. Aber das ist es wert, vor allem wenn es dazu beiträgt, dass Randgruppen in der Arbeitswelt sichtbar werden. Wir brauchen mehr Stimmen aus marginalisierten Gruppen in der Landwirtschaft“.

Wir glauben, dass eine Erzeugerorganisation, die alle Beteiligten stärker in Entscheidungsprozesse einbezieht, sowohl für junge Menschen als auch für Fairtrade selbst von Vorteil ist. Denn dieses integrative Modell führt zu einer angemessenen Beschäftigung junger Menschen, zur Entwicklung von Fähigkeiten und zu Geschäftsmöglichkeiten in der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Du kannst dazu beitragen, mehr jungen Menschen in ländlichen Gemeinden eine Perspektive zu geben – indem du beim nächsten Einkauf zu Fairtrade-zertifizierten Produkten greifst.

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