Am nächsten Morgen fahren wir auch schon weiter gen Norden. Nach einer sechsstündigen Fahrt durch trostlose, industrielle Dürre, kommen wir in Ghandidham/Rapar an. Wir können uns kaum vorstellen, dass sich hier in Mitten von Steinbrüchen und Zementfabriken zahlreiche Baumwollfelder befinden und doch werden wir eines Besseren belehrt. Die Felder der Kleinproduzentenorganisation Rapar & Dhrangadhra Farmers Producer Company (RDFC) sind wie eine friedlich blühende Oase. Zuhause bei einem der Kleinbauern treffen wir Shailesh, den Manager der Produzentenorganisation mit 500 Mitgliedern. Er arbeitet schon seit zwanzig Jahren in der Baumwollindustrie und hat letztes Jahr mit RDFC seine eigene Kleinbauernkooperative für Fairtrade- und Bio-Baumwolle gegründet. Sie stehen noch ganz am Anfang, aber haben schon einiges erreicht. Für Shailesh ist der Fairtrade Standard einzigartig, weil sich Fairtrade mit den Lebensumständen der Bauern und der Landwirtschaft auseinandersetzt und seiner Meinung nach als einziger Standard den Bauern wirklich hilft. Aus diesem Grund hat er sich für Fairtrade entschieden.
FAIRTRADE-PRÄMIENPROJEKT: WASSERSAMMELBECKEN
Wir wollen wissen, wie er in dieser trockenen Gegend (es sind gerade 37 Grad – im Winter) so saftig grüne Felder heranziehen kann. Er zeigt uns direkt ein Wassersammelbecken, das mit Hilfe der Fairtrade-Prämie angelegt worden ist. Das Wasser wird zur Bewässerung der Felder benutzt sowie gefiltert als Trinkwasser.
Neben dem Wassersammelbecken befindet sich eine Schule für 80 Schüler, die zusätzlich Regenwasser sammelt, welches sechs Monate haltbar ist. Als wir auf das Schulgelände treten werden wir von einer gemischten Gruppe von neugierigen Kindern erwartet, die uns aufgeregt mit Blümchen und Bindi-Bemalung begrüßen.
EINWEIHUNG EINES NEUEN KLASSENRAUMS
Dann kommt das Highlight unseres Besuchs: Die Einweihung eines neuen, durch die Fairtrade-Prämie finanzierten Klassenraums, der erst einen Tag zuvor fertig gestellt worden ist. Dieser soll als digitaler Klassenraum genutzt werden, damit auch hier später die Kinder aus dem Dorf mit anderen Kindern aus Großstädten mithalten können. Die Einweihungszeremonie ist sehr herzlich und etwas Spezielles für alle. Shailesh kennt jeden Lehrer, scherzt mit den Kindern, es ist eine besondere Atmosphäre und wir sind froh, daran teilhaben zu dürfen.
TIPPS & TRICKS VOM EXPERTEN
Nachdem wir in der Schule zu Mittag gegessen haben, fahren wir noch zu weiteren Feldern und lernen eine Bauernfamilie kennen, die von ihrer Saatgut-Zucht erzählt. Für Shailesh ist es sehr wichtig, dass die Bauern kein genmodifiziertes Saatgut einsetzen und nur ökologisch nachhaltige Pestizide und Düngemittel verwenden. Er erzählt uns von seinen Tricks im Anbau, zum Beispiel, dass er die Felder einfach dichter bepflanzt, so dass die Bauern am Ende genau die gleichen Ernteerträge einfahren wie Bauern, die auf genmodifiziertes Saatgut setzen. Er pflanzt seine Baumwolle außerdem erst später an, um saisonale Insekten zu meiden und zudem haben seine Pflanzen haarige Blätter, auf denen Insekten keinen Halt finden. Wieder fragt man sich, warum das nicht alle so machen, aber vielleicht haben nicht alle die langjährige Erfahrung und das Wissen.
Der Tag neigt sich dem Ende zu und wir würden gerne länger bleiben und noch mehr über Baumwolle lernen.