Wir dürfen vorstellen: Jesús Antonio Rápalo Murillo. Jesús kommt aus Honduras und hält mit 80 Jahren seine erste Packung eigenen Fairtrade-Kaffee in den Händen. Seine Geschichte zeigt: Es ist nie zu spät, seine Träume zu verwirklichen. Begleitet uns auf der Reise seines Kaffees aus dem honduranischen Santa Barbara bis in unsere Supermärkte.

Das Gesicht von Jesús ziert den Café Royal seiner Kooperative. © Fairtrade /Sean Hawkey

Vom Kaffee-Anbau bis ins Regal

Täglich greifen wir in den Läden zu fair gehandelten Produkten. Der europäische Markt für fairen Handel wächst stetig und erzielt die wichtigsten Absätze weltweit. Doch was genau macht ein Fairtrade-Produkt aus? Was müssen Produzent*innen leisten, damit sie zertifiziert werden? Und wie gelangt ein Produkt schließlich ins Regal eines deutschen Supermarktes? Diese Fragen beantworten wir euch anhand der Geschichte von Jesús und dem Kaffee seiner Kooperative.

Schritt 1: Eine Kooperative suchen / gründen

Im Fairtrade-System werden Kooperativen von Produzent*innen zertifiziert, also keine einzelnen Personen. Dies hat vor allem zwei Vorteile:

  • Die Produzent*innen treten gestärkt am Markt auf, damit sie gegenüber groß organisierten Unternehmen eine bessere Verhandlungsbasis haben.
  • Die Mitglieder einer Kooperative gestalten selbst ihre Zukunft. Sie entscheiden gemeinsam über die Nutzung der Fairtrade-Prämie, die zusätzlich zum Verkaufspreis der Produkte gezahlt wird. Das heißt, dass Kooperativen anhand ihrer Prioritäten demokratisch aushandeln, in welche Projekte sie investieren. Einige bezahlen mit dem Prämiengeld das Schulmaterial für Kinder der Mitglieder, andere finanzieren ihre Trinkwasserversorgung oder investieren in die Produktivität und somit in ein mittelfristig besseres Einkommen.

Marlon (11) und Carlos (14) spielen Fußball auf dem Gelände der Kaffeekooperative. © Fairtrade / Sean Hawkey

Jesús und 14 andere Bäuerinnen und Bauern haben sich 2019 zur Kooperative Comdelica zusammengeschlossen. Der 80-jährige Jesús ist verwitwet, hat zwei Kinder und ist schon seit einem halben Jahrhundert Kaffeebauer. Er wohnt im Ortszentrum von Santa Barbara und ist das Gesicht des Kaffees von Comdelica. Mit der Kooperativen-Gründung schöpfte Jesús neue Hoffnung: „In all meinen Jahren als Kaffeebauer sind die Ausgaben für den Kaffeeanbau stetig gestiegen. Der Kaffeepreis aber nicht. Deshalb wird es immer schwieriger, als Bauer genug zu verdienen.“ Mit Fairtrade kann er weiterhin vom Kaffeeanbau leben.

Eine Kooperativen-Gründung passiert allerdings nicht über Nacht, sondern dauert oft mehrere Monate. Meistens unterstützen lokale Non-Profit-Organisationen oder Marktpartner die Produzent*innen bei diesem administrativen Prozess. Im Fall von Comdelica haben diese Unterstützung die Schweizer Rösterei Delica und das lateinamerikanische Fairtrade-Netzwerk CLAC übernommen.

Schritt 2: Fairtrade-Zertifizierung erhalten

Fairtrade stellt an einzelne Produzent*innen und Kooperativen bestimmte Anforderungen. Schulungen informieren in den Kooperativen darüber, worauf bei der Produktion nach Fairtrade-Standards geachtet werden muss. Diese Standards sind das Regelwerk, das Kooperativen, Plantagen und Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette von Fairtrade-Produkten einhalten müssen. Sie umfassen soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen, um eine nachhaltige Entwicklung der Produzentenorganisationen zu gewährleisten.

Damit die Kooperative zertifiziert wird, ist ein Antrag bei der unabhängigen Zertifizierungsstelle Flocert und die anschließende Überprüfung notwendig. Dabei ist zunächst eine Antragsgebühr fällig. Diese betrug für Jesús und die Comdelica rund 533 Euro. Anschließend erhält die Kooperative einen Fragebogen zum Ausfüllen und wird aufgefordert, zusätzliche Dokumente einzureichen. Flocert besucht dann die Kooperativen und überprüft, ob die Fairtrade-Standards eingehalten werden, von der korrekten Buchführung über ökologische Auflagen bis hin zur Arbeitssicherheit.

In einer Abschlusssitzung werden die Punkte besprochen, bei denen es Verbesserungen braucht. Sobald diese umgesetzt sind, erhält die Kooperative das offizielle Zertifikat. Dieses muss alle drei Jahre erneuert werden, dazwischen gibt es punktuelle Audits zu einzelnen Maßnahmen und auch unangekündigte Kontrollen.

Im Fall von Jesús und Comdelica ging das alles sehr schnell. Schon 2020, im ersten Jahr nach der Gründung, war die Kooperative Fairtrade-zertifiziert. Die Tür stand also offen, den eigenen Faitrade-Kaffee auf den globalen Markt zu bringen. Bevor der Kaffee jedoch seine Reise antritt, stehen Ernte und Verarbeitung auf dem Plan.

Schritt 3: Kaffee ernten

Zur Comdelica gehören aktuell 39 Familien. Sie alle bauen ihren Kaffee in der Region Santa Barbara an, meistens auf einer kleinen Fläche von zwei bis zehn Hektar – dies entspricht nur wenigen Fußballfeldern. Zu den Bäuerinnen und Bauern gehört auch Elvira Rivera, die ebenfalls seit Beginn mit dabei ist.

Elvira Rivera berät sich mit Kevin Alexis Flores, der technische Unterstützung in der Kooperative leistet. © Fairtrade /Sean Hawkey

Die roten Kaffeekirschen werden in Honduras von November bis Februar geerntet – und zwar von Hand. Die Produzent*innen konzentrieren sich dabei ganz auf die reifen roten Kaffeekirschen. Alle 7-10 Tage pflücken sie erneut die reifen Beeren vom Strauch. Das ist zwar aufwändig, führt aber zu einer hohen Qualität des Kaffees. Nach dem Pflücken werden die Kaffeekirschen innerhalb von 24 Stunden ins Verarbeitungszentrum der Kooperative gebracht. Sonst würde ein natürlicher Fermentationsprozess einsetzen, welcher der Qualität schadet.

Eine der roten Kaffeekirschen wird geerntet. Bei der Ernte wird streng kontrolliert, welche Bohnen schon reif genug sind. © Fairtrade /Sean Hawkey

Schritt 4: Kaffee verarbeiten

Die frisch geernteten Kaffeekirschen werden per Pick-Up und teils noch mit dem Maulesel zum eigenen Verarbeitungszentrum im Santa Barbara gebracht. Angestellte der Kooperative wiegen die Ernte und bezahlen die Familien dementsprechend. Anschließend werden die Kaffeekirschen „entpulpt“, das heißt das Fruchtfleisch mithilfe einer Walze von der Bohne getrennt.

Das zentrale Gebäude der Kooperative in Santa Barbara. © Fairtrade /Sean Hawkey

Danach folgt die Fermentierung: In einem „Eco-Pulper“ werden die Bohnen gelagert, damit ein Gärungsprozess einsetzt. So löst sich die Schleimhaut, welche zu diesem Zeitpunkt die Bohne umgibt. Zudem wäscht der Eco-Pulper die Bohnen, damit sich alle noch anhaftenden Reste des Fruchtfleischs und der Schleimschicht loslösen. Am Ende sind die Bohnen blitzeblank und nur noch von einer dünnen Schicht (Pergamenthaut) umgeben.

Schlussendlich werden die Kaffeebohnen noch getrocknet. Bei vielen Kooperativen passiert die Trocknung an der Sonne mit am Boden ausgelegten Kaffeebohnen. Für Comdelica hat die Schweizer Rösterei Delica eine maschinelle Trocknungsanlage vorfinanziert. So ist die Trocknung auch bei Regenwetter möglich. Delica wird die Maschinen der Kooperative schenken, sobald diese als Organisation gefestigt ist und auch finanziell selbstständig funktionieren kann.

Noch vor Ort werden die Kaffeebohnen in einem speziellen Ofen getrocknet. © Fairtrade /Sean Hawkey

Der getrocknete Kaffee wird in Säcke verpackt und verlässt das Dorf in Richtung San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt und dem wirtschaftlichen Herzen von Honduras.

Schritt 5: Aufbereitung zum Export

Das Unternehmen „Molinos de Honduras“ liegt mitten in San Pedro Sula, etwa 1,5 Autostunden von Santa Barbara entfernt. Hier werden in großen Mühlen die Pergamenthaut entfernt und die Bohnen nach Größe sortiert. Das Resultat ist sogenannter Grünkaffee, bereit für den Export. Den Grünkaffee verpacken die Mitarbeitenden für den Containertransport in die berühmten Kaffeesäcke.

José Jacinto Zuniga arbeitet im Lager von Molinos in San Pedro Sula. Von hier aus tritt der Kaffee seine Reise über den Ozean an. © Fairtrade /Sean Hawkey

Die letzten rund 50 Kilometer auf honduranischem Festland legt der Grünkaffee im Lastwagen zurück. Vom Exporthafen Puerto Cortés tritt der Kaffee eine rund zweimonatige Reise nach Basel an. Diese geht über das karibische Meer und den atlantischen Ozean nach Rotterdam, wo er umgeladen wird und anschließend über den Rhein in die Schweiz gelangt.

Schritt 6: Rösten und abpacken

Vom Hafen in der Nähe von Basel bringt ein Lastwagen den Container aus Honduras zu Delica in Birsfelden. Delica ist die zweitgrößte Rösterei der Schweiz. Der Kaffee wird in einem Silo gelagert und anschließend sorgfältig geröstet, je nach Röstprofil des Produkts. Für ihre verschiedenen Marken röstet Delica insgesamt 17 000 Tonnen Kaffee pro Jahr. Ein Teil davon wird anschließend gemahlen und verkaufsfertig in kleine Kaffeesäcke oder Kapseln abgepackt.

Der fertige Café Royal mit Jesús Gesicht auf der Verpackung. Bild: Café Royal

Schritt 7: Genuss daheim

Von der Rösterei wird der Kaffee in die Logistikzentren der Handelspartner transportiert. Von dort aus erfolgt wiederum die Verteilung in die Filialen. So gelangt der Fairtrade-Kaffee von Jesús und den anderen Bauernfamilien aus La Laguna ins Regal. Dort findet ihr ihn aktuell in drei Varianten: Als „Crema“, „Espresso“ und „Crema Intenso“.

Den Kaffee von Jesús und seinen Kolleg*innen könnt ihr zu Hause genießen – und mit dem Fairtrade-Code zurückverfolgen. © Fairtrade /Sean Hawkey

Anhand des Fairtrade-Codes könnt ihr von zu Hause aus den Weg des Kaffees zum Ursprung zurückverfolgen. Auf jedem einzelnen Produkt ist der Fairtrade-Code abgebildet. Wenn ihr online den Code des Comdelica-Kaffees eingebt, findet ihr Informationen über die Kooperative und die Prämienprojekte, welche die Produzent*innen aus La Laguna dank eures Kaufs realisieren. Den „Café Royal Honduras“ findet ihr übrigens im Onlineshop von Café Royal und im deutschen Einzelhandel.