Einen Monat lang tausche ich den deutschen Winter gegen südafrikanischen Sommer ein und unterstütze das Team von Fairtrade Africa, eines der drei großen Produzentennetzwerke von Fairtrade, in Kapstadt. Auf dem Blog berichte ich von meiner Reise in den Ursprung von fairem Wein, Zucker und Vanille und vom Arbeitsalltag am südlichsten Ende Afrikas.

Woche vier | Vier Wochen, fünf Farmen, sieben Trainingstage und unzählige neue Eindrücke liegen hinter mir, als ich am 13. Dezember meinen Laptop zuklappe und die Weihnachtsferien einläute. Noch wenige Wochen, dann geht es zurück nach Deutschland.

Fast zwei Monate später sitze ich in der Kölner Geschäftsstelle von TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland), schaue aus dem Fenster – diesmal ohne Gitter und Alarmanlage. Für die Kollegen in Deutschland soll ich eine kurze Präsentation halten und von meinen Erfahrungen während des Praktikums berichten. Gar nicht so einfach. Zum einen, weil die Zeit in Südafrika eine gefühlte Ewigkeit zurückliegt, zum anderen, weil es zu viel über dieses Land und die Menschen zu erzählen gibt. Wo fange ich an?

Rund um Kapstadt gibt es eine Reihe exzellenter Weingüter.

Wie uns die Gesellschaft prägt

Vielleicht damit: In keinem anderen Land ist mir derart bewusst geworden, wie viele vermeintlich deutschen Eigenschaften auf mich zutreffen, wenn es um Pünktlichkeit, um die Befolgung von Regeln oder das Bedürfnis nach klaren Anweisungen geht. Beispiele dafür gibt es genug: Als wir mit sechs Leuten in einen Fünfsitzer steigen und ich mich nicht anschnallen kann, als das Seminar zwei Stunden später als geplant anfängt und sich keiner daran zu stören scheint oder als wir zu einem Geschäftstermin fahren, die Adresse nicht finden und kurzerhand wieder umkehren.

Gleichzeitig wird einem in Südafrika deutlich vor Augen geführt, wie Regeln, Normen und Verbote einer Gesellschaft schaden können; schließlich sind die Folgen der Apartheid noch immer spürbar. Die schwarze Südafrikanerin Zozibini Tunzi, die Anfang Dezember die Wahl zur Miss Universe gewann, beschreibt es dem Nachrichtensender CNN gegenüber so: „Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der eine Frau, die wie ich aussieht – mit meiner Art von Haut und meiner Art von Haaren – nie als schön angesehen wurde. Ich denke, es ist Zeit, dass das heute aufhört.“

Diskriminierung findet im Alltag noch immer statt

Es ist nicht nur die Definition von Schönheit, die Südafrikas Gesellschaft spaltet. Die Diskriminierung zieht sich wie ein roter Faden durch den Alltag und bleibt selbst mir als Touristin nicht verborgen. Im Restaurant bekomme ich einmal mit, wie sich eine Frau am Nachbartisch laut darüber beschwert, dass der Kellner ein anderes, weißes Paar, zuerst bedient habe. „Wir zahlen das gleiche Geld“, schimpft die Frau. Ob sie recht hat und es sich um Absicht handelt, oder ob sich der Kellner vertan hat, weiß ich nicht. Der Restaurantmanager bemüht sich sichtlich um Schlichtung und entschuldigt sich mehrmals für das Verhalten seines Mitarbeiters – vergeblich, die Frau verlässt wütend das Lokal. Ein anderes Mal fahre ich mit einem Uber in Richtung Tafelberg, als wir von einem Sicherheitsbeamten angehalten werden. „Was soll das?“, fragt der schwarze Fahrer wütend. „Das Auto vor uns musste nicht anhalten.“ Erst als ich von der Rückbank aus versichere, dass er mich am Ende der Straße absetzen und wieder umkehren wird, dürfen wir weiterfahren. Beide Male fühle ich mich schlecht, ohne aktiv etwas mit der Situation zu tun zu haben.

Vom Tellerwäscher zum Millionär?

Solche Vorfälle machen sprachlos und gehören dennoch zur Realität von Südafrika dazu. Aber sie lähmen die Gesellschaft nicht mehr, wie sie es einmal getan haben, davon bin ich überzeugt. Südafrika ist nicht Amerika, wo ein Tellerwäscher kinderleicht zum Milliardär aufsteigen kann und trotzdem tut sich etwas in der Gesellschaft: Das beweisen Menschen wie Cornelia Paseletso Moji, die ich während meines Praktikums kennenlerne. Jahrelang hat sie als Arbeiterin auf einer Fairtrade-zertifizierten Farm Trauben gepflückt. Heute leitet sie den Verkostungsraum des Weingutes und berät Gäste bei der Auswahl edler Tropfen. Mithilfe von Fairtrade-Prämiengeldern ermöglicht sie ihrem Sohn sogar ein Studium. Er wird Lehrer – ein Beruf, der seiner Mutter Jahre zuvor verwehrt blieb.

Es ist nicht die einzige Erfolgsgeschichte, die ich in Südafrika höre, und vor allem ist es nicht die Einzige, bei der Fairtrade eine Rolle spielt. Was mir in Südafrika immer wieder deutlich wird, ist die entwicklungspolitische Dimension unsere Arbeit. Die Prämiengelder ermöglichen es vielen Beschäftigten, ihre Kinder zur Schule oder zur Universität zu schicken. Doch für den sinnvollen Einsatz der Gelder, damit diese nicht in den nächsten Flachbildfernseher, sondern in etwas Nachhaltiges wie Bildung investiert werden, braucht es Schulungen. Diese Trainings miterleben zu können und eine Reihe von Menschen zu treffen, in deren Leben Fairtrade einen Unterschied macht, nehme ich als vielleicht kostbarste Erfahrung mit nach Hause – abgesehen von mindestens zehn Flaschen Fairtrade-Wein, damit die Erinnerung an Südafrika nicht zu schnell verblasst.

Zur Hochzeit einer Fairtrade-Kollegin gab es einen Toast – angestoßen wurde mit fairem südafrikanischem Sekt.