Einige indische Textilbetriebe haben 2017 und 2018 schon diverse Schulungen und Trainings des Fairtrade-Textilprogramms absolviert. Nach der Einführungsschulung sind die Betriebe aufgefordert, freie Wahlen unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzuhalten für die drei wichtigen Arbeiterkomitees für Arbeitssicherheit und Gesundheit, Beschwerdeverfahren sowie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Stehen die Mitglieder der einzelnen Komitees fest, reisen die Fairtrade-Trainerinnen vom Produzentennetzwerk für Asien und den Pazifikraum (NAPP) wieder für eine Schulung an, um die Komitees für ihre Aufgaben auszubilden. Wie bei Betriebsratsschulungen müssen die Komiteevertreterinnen und -vertreter ihre eigenen Rechte und Pflichten kennen und gleichzeitig lernen, sich für ihre Kolleginnen und Kollegen in der neuen Rolle einzusetzen.

Komiteeschulung bei Mila Fashion

Die Stimmung in der Näherei Mila Fashion ist sehr familiär. Es ist ein kleiner Betrieb mit nicht mal zwanzig Angestellten. Der Gründer des deutschen Labels 3Freunde Stefan Niethammer ist einer der zwei Besitzer des Betriebs. Girish ist der indische Partner und leitet das Unternehmen in Tirupur.

Bei Mila Fashion haben schon einige Trainings stattgefunden. Die Arbeiterinnen und Arbeiter haben Komitees gebildet zu Arbeitssicherheit und Gesundheit, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und Beschwerdemechanismen. In dem Workshop mit Sethu und Rohini berichten sie sehr engagiert über den Stand der Dinge ihrer Tätigkeiten und legen Abläufe für die einzelnen Aufgabenbereiche der Komitees fest.

Die Trainerinnen gehen in der Schulung noch einmal die einzelnen Abläufe Schritt für Schritt durch. So wissen die Komiteemitglieder genau wie sie vorgehen müssen, sollte sich eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter mit einer Beschwerde über den Arbeitgeber oder jegliche Form von Belästigung oder Diskriminierung an sie wenden. Das Prozedere ist klar vorgegeben: Zunächst sollten sich Angestellte an ihren Vorarbeiter wenden. Reagiert dieser nicht, geht die Beschwerde an den Produktionsleiter. Hilft das nicht, wird das Komitee für Beschwerden eingeschaltet, das vermittelt oder mit der Beschwerde an den Geschäftsführer geht. Gibt es intern kein Weiterkommen, hat jeder Betrieb immer die Möglichkeit eine externe Anlaufstelle für die Beschwerde zu konsultieren. Dies können einzelne Beraterinnen oder Berater aus dem arbeitsrechtlichen Bereich, Vertreterinnen oder Vertreter von NGOs oder Fairtrade selbst sein.

Die Trainerinnen sind sehr zufrieden mit dem Engagement der Angestellten. Partizipation wird hier großgeschrieben. So gilt Mila Fashion schon jetzt als Vorzeigebetrieb.

Stippvisite bei Armstrong Knitting Mills

Das Unternehmen Armstrong Knitting Mills steht in absoluten Kontrast zu Mila Fashion. Hier sind mehr als Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Das Gelände ist groß, die Gebäude mehrstöckig. Für die Schulung werden wir von der Welfare-Managerin in einen Konferenzraum geführt, in dem schon 12 Workshop-Teilnehmende auf uns warten. Die Zwölf Vertreterinnen und Vertreter der Arbeiterkomitees zu Arbeitssicherheit und Gesundheit, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und Beschwerden – also vier pro Komitee. Zwei kommen jeweils aus der Näherei mit 1.000 Beschäftigten, zwei aus der zweiten Konfektionseinheit mit 300 Angestellten. Der Workshop ist eine Auffrischungsschulung, da die Arbeiterkomitees bei Armstrong schon recht gut ausgebildet sind. Die Teilnehmenden erarbeiten in Gruppen Antworten auf sehr detaillierte Fragen zur Arbeit in den Komitees, wie zum Beispiel ob alle drei Komitees bereits ihre Arbeit aufgenommen haben oder die Komiteemitglieder der gesamten Belegschaft der Betriebe bekannt sind. Nur so können die Trainerinnen Sethu und Rohini bewerten, wie weit fortgeschritten die Arbeit und Anerkennung der Komitees im Unternehmen ist.

Leider kann ich bei diesem Training nicht bis zum Ende bleiben. Jedoch freue ich mich sehr darüber in den vergangenen Tagen einen Einblick in die Arbeit der insgesamt vier sehr unterschiedliche Betriebe bekommen zu haben. Kontinuierlich werden Management sowie Arbeiterinnen und Arbeiter von insgesamt elf Textilverarbeitungsunternehmen in Indien im Rahmen des Fairtrade-Textilprogramms ausgebildet. In Kürze werden die ersten Betriebe nach dem Fairtrade-Textilstandard zertifiziert. Erst wenn jedoch eine gesamte Lieferkette von Entkörnung, Spinnerei, Weberei, Färberei und Näherei nach dem neuen Standard zertifiziert ist, kann eine komplett faire Textilie mit dem Fairtrade Textile Production-Siegel hergestellt werden. Nach meinem Besuch der Unternehmen in Tirupur bin ich zuversichtlich, dass dies in einigen Monaten der Fall sein kann.