Am Mittwochabend der Fashion Revolution Week lud der AStA der Universität zu Köln zum Diskussionsabend ein. Der Veranstaltungstitel „Who made my clothes?“ ist auch der Hashtag der gleichnamigen Online-Kampagne zur Fashion Revolution. Unsere beiden Gäste, der Näher Hasmukh Dhodi und der Fabrikmanager Amit Narke, berichteten von ihrer Arbeit in der indischen Textilfabrik Purecotz Eco Lifestyles Pvt Ltd. Die Fabrik liegt in der Gemeinde Umargam im Distrikt Valsad des indischen Bundesstaats Gujarat. Purecotz hat sich seit mittlerweile zehn Jahren der öko-fairen Produktion verschrieben. Das ist das Werk von Amit Narke, der in seinem Vortrag sagte, dass hauptsächlich die mangelnde Nachfrage nach Fair Fashion noch eine große Herausforderung sei.

Hasmukh Dhodi ist bei Purecotz eine Karriere vom Näher zum Supervisor gelungen. Dabei hat er nicht nur seine beruflichen Erfolge geschildert, sondern ist vor allem auf seine persönliche Entwicklung eingegangen. Er erzählte uns, dass er heute viel mehr Selbstvertrauen habe und glücklich über seine Arbeit sei. In unserer Kommunikation vermitteln wir den Konsumenten faktenbasiert, welche menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in konventionellen Textilfabriken herrschen. Dazu gehören schwache Arbeiterrechte, fehlende Mitsprache und gesundheitliche Risiken. Für mich hat Hasmukh Dhodis Vortrag die Veränderungen, die mit den Zertifizierungen einhergehen, noch auf eine andere Ebene gebracht.

Mit Karl Marx beim Diskussionsabend

Während Hasmukh Dhodi gesprochen hat, musste ich die ganze Zeit an Karl Marx denken, und zwar an die Ausführungen zur Fabrikarbeit in seiner Kritik der politischen Ökonomie. In der kapitalistischen Produktionsweise ist jede Tätigkeit entfremdete Arbeit. Das heißt im Kern nichts anderes als dass der Arbeiter zum Sklaven wird und jeden Bezug zum Produkt verliert. Als Hasmukh Dhodi uns seinen Arbeitsalltag beschrieben hat, wurde sehr deutlich, wie groß sein persönlicher Bezug zu den Textilien von Purecotz ist. Es sind Stoffe, auf die er stolz sein kann, weil sie ethisch produziert werden.

Stil als Brücke zwischen Ethik und Ästhetik

Mit auf dem Podium saß auch Daniela Wawrzyniak, die gemeinsam mit Joana Ganser das Label SHIPSHEIP in Köln betreibt. Auf ihrer Webseite schreiben die beiden Gründerinnen, dass sie Stil als Brücke zwischen Ethik und Ästhetik verstehen. Genau diese Definition spiegelt sich auch in ihrer Mode wieder: Die Biobaumwolle, die sie verarbeiten, stammt von der Kooperative Pratima Organic Grower Group in der indischen Region Odisha. Die Kooperative ist seit 2010 Fairtrade-zertifiziert.

Daniela Wawrzyniak zeigte im Anschluss an die Vorträge von Hasmukh Dhodi und Amit Narke ein eindrucksvolles Video über ihre Indienreise und die Innenwelt der Fabriken. Sie trat diese Reise an, obwohl sie der Zertifizierung und dem Siegel vertraut. Motivation war für sie vielmehr, die Menschen kennenzulernen, die ihre Stoffe verarbeiten. Die Gründerin kommt aus dem Kontext der Wirtschaftsethik und Entwicklungszusammenarbeit und das merkt man definitiv auch an ihrem Label.

Jungdesigner setzen auf Hehlerei und Siebdruck

Im Publikum saßen verschiedene Leute, neben Studierenden der Kölner Universität interessierten sich auch die Gründer einer kleinen Modeproduktionsstätte aus Köln für das Thema Fairtrade. Die Hehlerei gibt es seit fast einem Jahr. Verwendet wird ausnahmslos Secondhandkleidung, ein deutliches Statement gegen die Verschwendung der Fast Fashion. Dieser ethische Grundsatz drückt sich auch in der ersten eigenen Kollektion aus, die passend dazu den Namen MORAAL trägt.

Die 26 Einzelstücke sind alle sind aus Secondhand-Klamotten gemacht und per Siebdruck veredelt. Ich habe mich lange mit den Inhabern der Hehlerei unterhalten und war beeindruckt davon, dass sie so im Thema der nachhaltigen Textilproduktion drin sind, auch an wissenschaftlichen Tagungen teilnehmen und die Entwicklung nachhaltiger Wertschöpfungsketten auf allen Ebenen mitverfolgen.

Nachhaltige Mode für eine gerechte Globalisierung

Schön war außerdem, dass wir alle nach offiziellem Ende der Veranstaltung noch lange diskutiert haben. Wie oft in solchen Gesprächen kamen wir auch hier irgendwann an den Punkt des Konsumverzichts. Oder was derzeit häufig propagiert wird: nur regional einkaufen. Obwohl es gute Gründe dafür gibt globalisierungskritisch zu sein, leben wir heute faktisch in einer globalisierten Welt, und das bringt moralische Verantwortung mit sich.

Wenn die aktuelle Frage lautet, wie man diese Welt möglich gerecht gestalten kann, reichen Saisonalität, Regionalität und Verzicht als Lösungswege einfach nicht aus. Selbst wenn man wirklich bereit ist, sich nur von Kartoffeln, Pastinaken und Wirsing zu ernähren und zugleich auf Baumwolle, Kaffee und Reis zu verzichten. Denn was die Arbeiter und Kleinbauern in Ländern des Südens dringend brauchen, das sind menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Hasmukh Dhodis eigene Erfahrungen haben mich davon noch einmal mehr überzeugt.