Es ist Berliner Fashion Week – und alle gehen hin. Große sowie kleine Designer und Modelabel stellten vom 16. bis 18. Januar 2018 ihre Winterkollektionen für das Jahr 2019 vor. Auch wir von Fairtrade Deutschland waren mit einem Stand auf einer der insgesamt acht Modemessen dabei. Natürlich können wir keine eigene Modekollektion präsentieren. Jedoch informieren und überzeugen wir Designer, Ein- und Verkäufer, Modeinteressierte und Studierende gerne davon, wie sinnvoll es ist, auf den Fairtrade-Baumwollstandard und den Fairtrade-Textilstandard zu setzen, um sich für mehr Gerechtigkeit in der Textilindustrie stark zu machen. Auf der Ethical Fashion Show treffen wir da auf offene Ohren. Hier ist das Thema „Fair Fashion“ eine Selbstverständlichkeit.

Öko, faire und nachhaltige Mode auf der Ethical Fashion Show

Bei einem Gang vorbei an den Ständen auf der Ethical Fashion Show und dem Green Showroom im Kraftwerk kommt einem schnell der Gedanke: „Wow! Die Welt ist gut!“ Denn allen Modelabeln, die auf diesem Teil der Berliner Fashion Week ausstellen, ist es tatsächlich wichtig, unter welchen Bedingungen ihre Kollektionen hergestellt werden. Ihr großes Anliegen ist es, möglichst umwelt- und sozialverträglich zu produzieren.

Fair Fashion ist hier vor allem das Motto. In großen Lettern haben sich viele Modelabel das Wort „fair“ auf die Fahne bzw. an den Messestand geschrieben. Aber wofür steht in diesem Zusammenhang das „fair“? An einigen Ständen frage ich nach. Die einen erklären mir, dass sie zum Beispiel die Näherinnen in Afrika oder Asien kennen, die ihre Kollektion nähen. Sie stehen in direktem Kontakt mit ihnen, kennen die Bedingungen, unter denen die Textilien hergestellt werden und bezahlen sie auch direkt. Andere sagen, dass sie Mitglied der Fair Wear Foundation sind. Produziert man in von der Fair Wear Foundation überprüften Textilfabriken, ist immerhin sichergestellt, dass der Verarbeitungsschritt der Konfektionierung – also vom Zuschnitt des Kleidungsstücks bis zur Verpackung – unter fairen Bedingungen stattfindet. An vielen Kleidungsstücken der nachhaltigen Modelabel ist auch das Zertifikat des Global Organic Textile Standards (GOTS) eingenäht, ein Textilstandard der vor allem für streng umweltschonenden Produktion von Textilien steht. Somit nutzen viele Textilunternehmen das Wort „fair“ und legen es in ganz unterschiedlicher Enge und Weite aus.

Nur wo Fairtrade drauf steht, steckt auch Fairtrade(-Baumwolle) drin

Auch einige unserer Fairtrade-Partner stellen auf der Ethical Fashion Show aus. In ihren Kollektionen ist das Fairtrade-Siegel für Baumwolle eingenäht. Es steht für Rohbaumwolle, die fair angebaut und gehandelt wurde.

So präsentiert zum Beispiel das norddeutsche Textilunternehmen Brands Fashion als Fairtrade-Partner sein Label „Shirts for Life“ und die Schuhkollektion von Ethletics.

Das spanische Modelabel Skunkfunk zieht mit einem großen Stand viele Besucher an und informiert auch über die Herstellung ihrer Textilien.

Auch Dedicated und Thokk Thokk sind mit eigenen Ständen vertreten. Das junge Unternehmen MELAWEAR hatte einen Messestand auf der PREMIUM, hat aber vor den Toren der Ethical Fashion Show ordentlich Werbung für den ersten Sneaker aus komplett Fairtrade- und GOTS-zertifizierter Baumwolle gemacht.

Der Fairtrade-Textilstandard

Bisher gibt es auf der Ethical Fashion Show noch kein Kleidungsstück, das nach dem Fairtrade-Textilstandard produziert wurde. Den Standard gibt es seit 2016. Er gilt unter den Nachhaltigkeitssiegeln in der Textilbranche als das Zertifikat, das am tiefsten in die textile Lieferkette geht. Denn der Standard deckt alle Verarbeitungsschritte in der Herstellung eines Kleidungsstückes ab – von der Entkörnung und Weiterverarbeitung der Baumwollfasern über das Spinnen, Weben und Färben der Stoffe bis hin zum Zuschnitt, Nähen und Handeln der Textilien.

Die drei deutschen Unternehmen Brands Fashion, MELAWEAR und 3Freunde nehmen mit ihren Textilfabriken in Indien am Fairtrade-Textilprogramm teil. Das Programm beinhaltet Trainings und Schulungen für Management und Arbeiterinnen und Arbeiter und unterstützt bei der Umstellung der Produktion auf den Fairtrade-Textilstandard. Noch wurden keine Produktionsstätten offiziell auditiert, d.h. es wurde noch keine Fabrik offiziell überprüft, ob auch wirklich die sehr hohen Anforderungen des Textilstandards in den relevanten Arbeitsbereichen Arbeiterrechte, Chemikalienmanagement, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Produktivitätssteigerung sowie Spinnen und Weben in den Fabriken erfüllt sind. Die ersten Audits werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2018 stattfinden.

Faire Mode von der Nische in den Massenmarkt

Auf Vorträgen und Podiumsdiskussionen im Knowledge Forum der Ethical Fashion Show sind sich alle Teilnehmenden meist einig: Mode muss fair werden – dem Menschen und der Umwelt zu Liebe. Die vielen gefährlichen Chemikalien, die bei der Textilproduktion verwendet werden und ungefiltert über Abwässer in Flüssen landen, gehören verboten. Den prekären Arbeitsbedingungen in Textilfabriken vor allem in Asien muss ein Ende gesetzt werden. Trotz großer Medienberichterstattung über beispielweise den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch und einer höheren Sensibilität für die Thematik, bewegt sich herzlich wenig in der Branche. Die Engagierten der Modebranche diskutieren: Bei wem liegt die Verantwortung? Bei den Konsumentinnen und Konsumenten? Bei den Unternehmen? Bei der Politik?

Bei einer von den Fashion Changers organisierten Diskussionsrunde ist die Antwort: Alle Beteiligten müssen umdenken und ihr Konsumverhalten nachhaltiger gestalten. Jedoch bei der Politik liegt ganz eindeutig die Verantwortung, klare rechtliche Vorgaben für die gesamte textile Lieferkette zu machen, was Umwelt- und Arbeiterschutz betrifft.

Das Bündnis für nachhaltige Textilien als Lösungsansatz in Deutschland?

Kaum war die Berliner Fashion Week zu Ende, eröffnet die Internationale Grüne Woche ihre Pforten. Zwar geht es auf dieser Messe nicht um Textilien, doch freue ich mich, in der Halle des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Stand vom Bündnis für nachhaltige Textilien zu sehen. Mit einem nachgebauten Baumwollfeld mit unzähligen Baumwollpflanzen in der Messehalle, macht das BMZ auf die schwierige Situation in der Baumwoll- und Textilindustrie aufmerksam.

Bei der Eröffnung der BMZ Halle erklärt Entwicklungsminister Gerd Müller, dass er Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsvorteil für Unternehmen in der Textilbranche machen will.

Entwicklungsminsiter Gerd Müller an der Nähmaschine, Fotos: TransFair e.V.

Also gibt es schon eine Form des politischen Engagements der deutschen Bundesregierung. Es gibt bisher jedoch noch keine rechtsverbindlichen Gesetzesgrundlagen, die Textilunternehmen eine nachhaltige Produktion vorschreiben. Das scheint aber die einzige Lösung zu sein, wenn das Thema Nachhaltigkeit aus der Nische geholt werden und für den Massentextilmarkt als selbstverständlich gelten soll. Dann bräuchte es nämlich auch keine Ethical Fashion Show mehr, weil große und kleine Modelabel ihre nachhaltige Mode auf allen Messen der Berliner Fashion Week ausstellen würden.