Fairtrade unterstützt Produzent*innen in Afrika, Lateinamerika und Asien dabei, sich den aktuellen globalen Herausforderungen zu stellen. Wie, das erklärt Kelly Hawrylyshyn, Senior Advisor des Global Resource Mobilization-Teams von Fairtrade International.

COVID19, Lockdowns, erschwerte Marktzugänge und steigende Produktionskosten – der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit explodierenden Treibstoff- und Düngemittel-Kosten – eskalierende Wetterextreme, die sich auf Qualität und Quantität der Ernten auswirken: Kleinbäuerliche Produzent*innen hatten es sehr schwer in den letzten drei Jahren. Fairtrade unterstützt sie mit sieben praxisnahen Ansätzen dabei, die globale Krise zu bewältigen und sie für zukünftige Herausforderungen widerstandsfähiger zu machen.

1. Klimaresistente Landwirtschaft fördern
Die Fairtrade-Standards fördern gute landwirtschaftliche Praktiken, die den Wasserverbrauch und den CO2-Fußabdruck verringern sowie die biologische Vielfalt schützen. Agroforstwirtschaftliche Praktiken, also dass Bäume und Sträucher in den Anbau von anderen Nutzpflanzen einbezogen werden, sowie die Umstellung auf ökologischen Landbau tragen nicht nur zur Verbesserung der Qualität von Fairtrade-Produkten bei, sondern auch zur Ernährungssicherheit der Bauern, zur Klimaanpassung und zur Verminderung des CO2-Ausstoßes. In der Bananen-Wertschöpfungskette in Lateinamerika und der Karibik hat das Fairtrade-Programm zur Produktivitätssteigerung zu einer Steigerung der Produktion von 23 Prozent, einer Verringerung des Einsatzes synthetischer Düngemittel um 20 Prozent und einer Reduzierung des Wasserverbrauchs um 12 Prozent geführt. Weitere Informationen über die Arbeit von Fairtrade in diesem Bereich gibt es hier.

2. Vielfältige Einkommensquellen schaffen
Diversifizierung, also die Erschließung alternativer Einkommensquellen, die über die ausschließliche Abhängigkeit vom Rohstoffexport hinausgehen, ist ein Schlüsselelement der Fairtrade-Strategie für existenzsichernde Einkommen. Als Reaktion auf die COVID19-Pandemie unterstützte Fairtrade zum Beispiel Produzent*innen in Afrika dabei, mit Bienenzucht, Geflügelzucht, Seifenherstellung und vielen anderen Geschäftsideen lokale Start-up-Unternehmen zu gründen. Mehr dazu erfahrt ihr hier.

3. Produkte im Ursprungsland aufwerten
Zusammen mit den Produzent*innen arbeitet Fairtrade daran, mehr Wertschöpfung im Ursprung zu schaffen – etwa durch Aufbau lokaler Märkte und den Süd-Süd-Handel. Kakaoproduzent*innen in der Dominikanischen Republik können durch den Bau einer neuen Verarbeitungsanlage halbfertige Kakaoprodukte anbieten, die im Verkauf mehr Geld einbringen als unverarbeitete Kakaobohnen. Die Verwendung von Kakao als Rohstoff für Eiscreme in dominikanischen Eiscafés, für Kosmetikfirmen und lokale Schokoladen für den Tourismussektor sind weitere Projekte, um stärker am Wertschöpfungsprozess teilzuhaben. In Vietnam haben Fairtrade-zertifizierte Kaffeeproduzenten eine E-Commerce-Plattform eingerichtet, um den wachsenden vietnamesischen Markt für Kaffeegenießer zu erschließen.

Die Kakao-Verarbeitungsanlage der Fairtrade-Kooperative CONACADO

4. Innovative Wege zur Einkommenssteigerung ausloten
Fairtrade arbeitet derzeit an der Überarbeitung des Fairtrade-Klimastandards. Wesentlicher Bestandteil sind die Fairtrade Carbon Credits: Durch gezielte Klimaschutzprojekte im globalen Süden werden CO2-Emissionen reduziert, welche die teilnehmenden Produzentenorganisationen als Klimazertifikate, die sogenannten Fairtrade Carbon Credits, an Unternehmen im globalen Norden verkaufen, die ihrerseits damit ihre CO2-Emissionen ausgleichen können. Eine win-win-Situation für die Produzent*innen, für Unternehmen und nicht zuletzt für das Klima. Bis heute wurden mehr als 650.000 Tonnen CO2 von Fairtrade-Produzenten in Indien, Peru, Lesotho, Äthiopien und anderen Ländern ausgeglichen.

Biogasanlage in Indien

5. Zusammen mit Unternehmen Lösungen für einen fairen Welthandel finden
Fairtrade arbeitet mit Unternehmen zusammen, die sich der Nachhaltigkeit verpflichtet haben und die notwendige Maßnahmen ergreifen, um die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) erreichen zu können. Dazu gehören beispielsweise Unternehmen, die sich für ein Ende des Preiskrieg bei Bananen einsetzen, sowie Unternehmen, die an der Erreichung existenzsichernder Einkommen für die Produzent*innen mitwirken. Angesichts der wachsenden Nachfrage von Verbraucher*innen nach nachhaltigen Produkten zeigen diese Partnerunternehmen – die natürlich auch Produkte Fairtrade-zertifizierter Erzeugerorganisationen beziehen – dass Nachhaltigkeit ein Gewinn für alle ist.

6. Regierungen in die Pflicht nehmen
Wir begrüßen die zunehmenden gesetzgeberischen Maßnahmen der EU, Deutschlands, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und vieler anderer Länder im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (Human Rights and Environmental Due Diligence – HREDD). Aber… wir fordern die staatlichen Stellen auf, ein faires Gleichgewicht zwischen den Rollen und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten der Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Insbesondere fordern wir, dass Landwirt*innen und lohnabhängig Beschäftigte in den Mittelpunkt der Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht gestellt werden, damit niemand zurückgelassen wird.

7. Jetzt erst recht: Nachfrage nach nachhaltigen Produkten aufrechterhalten
Vor der Pandemie kauften die Verbraucher weltweit Fairtrade-zertifizierte Produkte im Wert von über 8 Milliarden Euro, wovon über 1,9 Millionen Produzent*innen profitierten. Doch angesichts der aktuellen Krise sehen sich dieselben Kleinbauernfamilien und Arbeiter*innen mit steigenden Düngemittel-, Transport-, Energie-, Lager- und weiteren Produktionskosten konfrontiert. Gleichzeitig müssen auch Verbraucher*innen aufgrund der Preisinflation durch den Ukraine-Krieg immer mehr auf den Cent schauen. Dennoch appellieren wir nachdrücklich an die Konsument*innen weltweit, ihr Engagement für Nachhaltigkeit aufrechtzuerhalten: Tragt dazu bei, den durch die derzeitige Lebenshaltungskostenkrise ausgelösten „Wettlauf nach unten“ zu stoppen – die Fairtrade-Produzent*innen brauchen euch jetzt mehr denn je! Was euch vielleicht ein paar Cent oder Euro mehr kostet, kann für die Produzentenfamilien im Ursprung einen im wahrsten Sinne des Wortes existenziellen Unterschied bedeuten. Ihr habt es in der Hand, die Zukunft fair zu gestalten.