Die Stadt Sullana im Norden Perus ist zwar eine Großstadt, ist aber in unserem Reiseführer nicht verzeichnet. Offenbar hat sie also nichts besonderes zu bieten. Wir haben uns trotzdem auf den Weg gemacht, um die Fairtrade-Bananenkooperative APBOSMAM zu besuchen. Die Busfahrt von der Küste im Norden Perus dauert mehrere Stunden und führt durch eine karge Wüstenlandschaft. Doch plötzlich ändert sich die Landschaft: sattgrüne Reisfelder, Palmen, Bananen. Wir sind im Tal des Río Chira, in dem sich auch die Stadt Sullana befindet.

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Die Bananenkooperative APBOSMAM.

Am nächsten Morgen werden wir vom Präsidenten der Kooperative, José Fernando Loli Castillo und dem Geschäftsführer, dem Agraringenieur Miguel Angel Borrero Castillo, abgeholt. Wir fahren in das Büro der Kooperative, wo wir uns mit den beiden sowie zwei weiteren Kooperativenmitgliedern unterhalten. Die Geschichte der Organisation ist schnell erzählt, da sie noch sehr jung ist: 2006 wurde die Organisation als Zusammenschluss von Kleinbauern gegründet, 2007 hatten sie zusammen 130 Hektar Bananenpflanzungen. 2008 folgte die Bio-Zertifizierung, 2009 die Fairtrade-Zertifizierung. Im Jahr 2010 konnten mit Mitteln aus der Fairtrade-Prämie die Büro- und Lagergebäude gebaut werden. In diesem Jahr wurde aus der Organisation offiziell eine Kooperative (Genossenschaft), die inzwischen aus 304 Mitgliedern besteht die zusammen 316 Hektar Bananen bewirtschaften. Die Kooperative beschäftigt zudem 150 Arbeiter. Alle haben einen offiziellen Arbeitsvertrag, eine Sozialversicherung und arbeiten acht Stunden täglich.

Diese Entwicklung in nur sieben Jahren finden wir sehr beachtlich. Die Kooperative verkauft ihre gesamte Ernte in Bio-Qualität im Fairtrade-System (zumindest die Bananen, die den EU-Normen entsprechen, aber dazu später mehr). Pro Woche verlassen sechs Container das Kooperativengelände und werden über den Hafen von Paita und den Panamákanal an drei Abnehmer in England, Italien und Deutschland verschifft. Der deutsche Importeur ist Port International, der u.a. die Bananen für Lidls Eigenmarke Fairglobe importiert. Aus den Fairtrade-Prämien, die bei 100% Fairtrade-Absatz verhältnismäßig üppig sind, wird konsequent in die Infrastruktur der Kooperative investiert: Neben den Verwaltungs- und Lagergebäuden und Fahrzeugen werden überall in den Bananenfeldern Verpackungsstationen gebaut. Ansonsten wurde auch schon in Kooperation mit einer Schule ein Wiederaufforstungsprojekt umgesetzt. Für die Zukunft schwebt der Kooperative eine eigene Reifungseinrichtung sowie eine Anlage zur Herstellung von Bananenpüree vor.

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Verarbeitungs- und Verpackungsstation mitten in den Bananenfeldern.

Nach der Theorie fuhren wir zusammen in die Felder. Vorbei an den Bananen einer benachbarten Fairtrade-Kooperative und vereinzelten Mangobäumen ging es zu einer mobilen Verpackungsstation. Etwa 10 Arbeiter waren schon in der Mittagspause, etwa fünf weitere waren noch dabei, die gerade geernteten Bananen zu sortieren, zu waschen, zu bekleben und zu verpacken. Miguel, der Geschäftsführer, erklärt uns, dass ihre Verpackungsstation – im wesentlichen aus Holz gebaut mit einer mobilen Wascheinrichtung – noch nicht so professionell wie bei der Nachbarkooperative ist. Da sie noch sehr jung sind, sind noch nicht alle Stationen auf dem neuesten Stand, sie arbeiten aber daran, ihre 30 Stationen nach und nach zu modernisieren. Der Schichtleiter erklärt uns nun den ganzen Prozess. Meine Freundin bekommt eine Haube, einen Mundschutz und muss ihre Hände waschen. Ich darf leider mit meiner kurzen Hose nicht in den Verarbeitungs- und Verpackungsbereich – Hygienevorschriften. Ich muss also ein klein bisschen Abstand halten und finde es eigentlich ganz gut, dass die Vorschriften hier wirklich für alle gelten.

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Eine Angestellte der Kooperative beklebt die Fairglobe-Banenen mit Fairtrade-Siegeln.

Der Verarbeitungsprozess funktioniert wie folgt: Die frisch geernteten noch grünen Bananenbüschel werden zur Station gebracht, dort werden einzelne „Hände“ (etwa vier bis sieben einzelne Bananen oder „Finger“) von dem Büschel geschnitten. Die „guten“ kommen zum Waschen, die „schlechten“, also die zu kleinen, nicht wohlgeformten, einzelnen oder nicht makellosen, kommen in eine andere Kiste, die für den nationalen Markt bestimmt ist. Sie werden in eine Reiferei in Lima gebracht und kommen dann in die Supermärkte. Die „guten“ Bananenhände werden dann desinfiziert, mit Fairtrade-Siegeln versehen und werden vorsichtig in Kisten verpackt. Die Siegel und die Kisten sind spezifisch für die Firmen, die die Bananen abnehmen. Bei unserem Besuch wurden Kisten für den italienischen Abnehmer und für Fairglobe gepackt. Nach dem Schiffstransport müssen die Bananen noch in Europa gereift werden.

Bei einem Mittagessen hatten wir noch Zeit für weitere Fragen, bevor wir uns wieder verabschieden. Wir sind von der Kooperative sehr beeindruckt, die man sicher als Vorzeigekooperative bezeichnen kann. 100% Fairtrade-Absatz schaffen die wenigsten Fairtrade-Produzenten – sie müssen ihre Produkte dann im herkömmlichen Markt verkaufen und durch geringere Prämienflüsse können sich die positiven Wirkungen des Fairen Handels entsprechend weniger stark entfalten. Von dieser Situation haben uns vor wenigen Wochen noch die Rosenfarmen in Ecuador berichtet, aber auch bei Tee und Kaffee ist die Lage oft nicht viel anders. Zu der guten Absatzsituation von APBOSMAM kommt offenbar noch die privilegierte Lage im fruchtbaren Tal des Río Chira. Hier bauen die allermeisten Produzenten Biobananen an und es gibt eine Reihe von Fairtrade-Kooperativen. Vor einigen Jahren haben noch etwa 70% der Produzenten ihre Ernte an die Firma Dole verkauft, jetzt sind es nach Angaben von Miguel nur noch etwa 30%. Die Kleinbauern hier haben es tatsächlich geschafft, sich zu Kooperativen zusammenzuschliessen und ihre Produkte selbst zu exportieren und auch an den Weiterverarbeitungsschritten als Mitglieder der Kooperative mitzuverdienen.

Video zur Bananenproduktion von APBOSMAM (spanisch mit italienischen Untertiteln).